Eines gleich vorweg: Jetzt ändert sich noch gar nichts. Doch die auf den 27. April für gewisse Branchen geltende Lockerung hat bei allen den Wunsch nach einer schnellen Lockerung auch für ihre eigenen Geschäfte und Unternehmen geweckt. Viele empfinden es als unfair, wenn beispielsweise:
- Therapeuten wieder arbeiten dürfen, aber Reittherapeuten nicht
- Coiffeusen wieder arbeiten dürfen, aber freischaffende ReitlehrerInnen, PferdetrainerInnen, PferdetherapeutInnen, nichtmedizinische Dienstleister für Pferdebetriebe nicht
- Schulen wieder öffnen dürfen, aber Reitschulen voraussichtlich nicht
Auch in anderen Branchen herrscht vielerorten derselbe Unmut vor, man fühlt sich ungerecht behandelt und tut dies lautstark kund. Via Petitionen, via Social Media, in den Medien. Der Unmut ist verständlich – bei vielen geht es um die Existenz – die freie Äusserung desselben eines unserer Grundrechte. Und alles zu unternehmen, damit die eigene Firma, die eigene Selbstständigkeit nicht den Bach runtergeht, ist in einer marktwirtschaftlichen Demokratie ebenfalls nicht verwerflich.
Noch nicht in Stein gemeisselt
Doch ist auch alles unfair, was jetzt als unfair empfunden wird? Die Erfahrungen der letzten Wochen haben uns gelehrt, dass vieles, was der Bundesrat verkündet, im Nachhinein präzisiert und ausgebessert wird. Vorausgesetzt, die dafür notwendigen Informationen gelangen an die richtigen Stellen. Die Verbände SVPS und SHP tun viel dafür. Sie fassen die Bedürfnisse von Sport und Reitschulen zusammen, beratschlagen sich mit den Mitgliedervereinen und reichen ihre Anliegen gebündelt in Bundesbern ein. Vielen Dank dafür!
Unbeantwortete Fragen
Jedoch ist die Frage, ob eine vollständige Bündelung der doch sehr heterogenen Pferdeszene schlussendlich die einzig richtige Strategie ist, nicht leicht und abschliessend zu beantworten. Hört man der breiten Basis zu, die mehrheitlich nicht in Verbänden organisiert ist, wäre eine Aufsplittung der Dienstleistungsangebote und somit ein gestaffelter Ausstieg aus dem Lockdown sinnvoller. Dabei muss aber bedacht werden, dass es sich bei dieser Staffelungs-Forderung mehrheitlich um persönliche Interessen handelt. Wie gesagt ist es für einen Reittherapie-Betrieb nicht einfach nachzuvollziehen, weshalb sie nicht wieder ab dem 27. April arbeiten sollen, alle anderen Therapeuten aber schon. Die Frage stellt sich also, ob man in Bundesbern überhaupt weiss, wie vielfältig die Pferdebranche ist und wie unterschiedlich die verschiedenen Dienstleistungen sind. Ob es angesichts dieser Diversität nicht sinnvoll wäre, auch innerhalb der Pferdebranche eine Staffelung anzuwenden. Und ob es fair ist, wirklich alle Akteure der Pferdebranche bei den Freizeit-Betrieben einzuordnen.
Medienanfrage an das BLV
Bezüglich der Diversität und einer möglichen Staffelung hat die “Kavallo”-Redaktion am Freitag eine Medienanfrage ans Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV gesendet. Noch ist keine Antwort eingetroffen, sie wurde aber von der Medienstelle fest in Aussicht gestellt. Die eingereichten Fragen erfordern umfassende Abklärungen, die nicht in wenigen Stunden gemacht werden können. Sie lauten konkret:
In welchem Lockerungsschritt wird die Wiederaufnahme der Dienstleistungen der folgenden Betriebsgruppen erlaubt, immer unter Einhaltung der hygienischen Massnahmen und der Vermeidung von Ansammlungen vieler Menschen, respektive Besucherströme? Bezüglich:
- Freischaffende ReitlehrerInnen, PferdetrainerInnen, PferdetherapeutInnen, PferdefotografInnen, nichtmedizinische Dienstleister für Pferdebetriebe? Analog Coiffeusen ab 27. April?
- Reittherapie (in der Regel Einzeltherapie) für Menschen mit Beeinträchtigungen? Analog Therapeuten ab 27. April?
- Einzel-Unterricht in Reitschulen? Auch ab 27. April?
- Kinder-Kurse und -Nachmittage in Reitschulen, auf Therapie- und Ponyhöfen? Analog Grundschulen ab 11. Mai oder ebenfalls Lockerung ab 27. April möglich?
- Unterricht in Kleingruppen in Reitschulen und auf Infrastrukturen von Reitvereinen für externe Reitlehrer ab wann möglich? Natürlich unter der Voraussetzung, dass die Mindestabstände eingehalten werden und die Anzahl Teilnehmer auf die Hallen- oder Reitplatz-Fläche begrenzt wird.
- Regulärer Betrieb der Reitschulen und Ponyhöfe als Nachwuchsgaranten für die ganze Reitbranche kann auf wann in Aussicht gestellt werden?
Was genau jetzt noch gilt
Bis erste Antworten eintreffen, hier noch einmal die aktualisierte Übersicht des BLV, was aktuell erlaubt ist und was nicht:
Zu den vom Bundesrat am 16. April 2020 vorgestellten Lockerungen der COVID-19-Verordnung 2 auf den 27. April 2020 ist Folgendes festzuhalten:
Die vorgestellten Anpassungen der COVID-19-Verordnung 2 regeln die Eckwerte der vorgesehenen Lockerungsmassnahmen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist daher aktuell daran, die Erläuterungen dazu verfassen. Diese werden den Rahmen vorgeben, wie die Regelungen konkret zu verstehen und umzusetzen sind und welche Auswirkungen im Einzelnen für die verschiedenen Branchen zu erwarten sind.
Das BLV prüft gegenwärtig in Rücksprache mit dem BAG, ob und inwiefern die Lockerungen auch Auswirkungen auf den Umgang mit und das Management von Tieren sowie die Lebensmittelbranche haben werden.
Sobald die offenen Fragen geklärt sind, wird das BLV umgehend, aber auf jeden Fall vor dem in Kraft treten der revidierten Verordnung, allfällige Lockerungen via FAQ in den Bereichen Lebensmittel und Tiere (Veterinärwesen) auf der Homepage des BLV publizieren.
Heute gelten nach wie vor:
Versorgung / Pflege / Bewegung / Beschäftigung
Die Versorgung der Pferde gemäss Tierschutzgesetzgebung ist sicherzustellen. (25.03.2020)
Pferde verladen für einen Tagesritt. Ist das noch erlaubt?
Pferde sind grundsätzlich möglichst vor Ort auszureiten, unnötige Transporte sind zu vermeiden. (27.03.2020)
Pferd soll am 01.04.2020 in einen anderen Stall umziehen (Vertrag erstellt). Ist dies noch möglich?
Ja. (25.03.2020)
Beschäftigung von Schulpferden, da Reitunterricht verboten.
Die Versorgung inkl. Beschäftigung der Pferde gemäss Tierschutzgesetzgebung ist sicherzustellen; dafür ist die / der ReitstallbesitzerIn verantwortlich. (25.03.2020)
Mein Pferd steht im grenznahen Ausland und ist auf meine Betreuung angewiesen (Bewegung, ggf. Medikamente). Falls mir der Grenzübertritt verweigert wird, wie muss ich vorgehen?
Die Einreise in die Nachbarländer richtet sich nach den rechtlichen Vorgaben des jeweiligen Landes. Informationen sind dort einzuholen.
Das BLV empfiehlt, die Tiere in die Schweiz zurückzuholen. Für den Transport ist ein professionelles Transportunternehmen zu beauftragen. Private grenzüberschreitende Transporte sind zurzeit nicht erlaubt. Kann die Betreuung im Ausland nicht anders sichergestellt werden und ist auch kein Import möglich, ist der Grenzübertritt zurück in die Schweiz für Personen, die zwecks dringender Versorgung von Tieren (Selbstversorgerstall) ins grenznahe Ausland reisen müssen, gestattet. Eine entsprechende Bescheinigung (Bescheinigung, die für die Einreise ins Nachbarland verlangt ist) ist bei der Rückreise in die Schweiz vorzuweisen. (16.04.2020)
Vereinshallen Pferdesportvereine
Pferde sind möglichst vor Ort auszureiten, unnötige Transporte und Ausritte sind zu vermeiden.
Vereinshallen sind grundsätzlich zu schliessen. Kann ein Pferd nicht anderweitig ausreichend bewegt werden, ist dies ausnahmsweise in einer Vereinshalle zulässig. Dabei ist die Anzahl der Reiter, welche die Halle gleichzeitig benutzen auf das Minimum zu beschränken. Dabei ist sicherzustellen, dass alle Regeln des BAG eingehalten werden, insbesondere das social distancing. (25.03.2020)
Reiten
Das Ausreiten der Pferde ist aus Tierwohlgründen zur Sicherstellung einer ausreichenden Bewegung der Pferde erlaubt.
Ausritte sollen möglichst alleine stattfinden, ausser in dringlichen Fällen (Vermeidung von Unfällen bei nervösen Pferden).
Bei der Benutzung von Reitplätzen und Reithallen ist die Anzahl der Reiter, welche die Halle gleichzeitig benutzen, auf das Minimum zu beschränken.
Dabei ist sicherzustellen, dass sowohl im Reitstall, auf dem Reitplatz, in der Reithalle und beim Ausreiten im Gelände, jederzeit alle Regeln des BAG eingehalten werden, insbesondere das social distancing.
Reitställe und Pferdepensionen dürfen keine Ausritte organisieren (Halle und Gelände). (25.03.2020)
Reitbeteiligungen
Reiter, die sich an einem Pferd «beteiligen» dürfen dies weiter (unter den unter «Reiten» genannten Bedingungen) tun. (25.03.2020)
Reitunterricht
Reitschulen fallen unter die öffentlichen Einrichtungen, die für das Publikum zu schliessen sind (Freizeitbetriebe) bzw. unter die verbotenen Veranstaltungen nach Art. 6 Abs. 1 und 2 COVID-19-Verordnung 2. Folglich ist auch der Einzelunterricht untersagt. (25.03.2020)
(Quelle)
(Text: Daniela A. Caviglia)
Alles über den Schweizer Lockdown und die Pferdebranche
- Petition Fairness für die Schweizer Pferdebranche
- Wie gelingt der Lockdown-Exit für möglichst viele fair?
- Forderung an Bundesrat: Reitschulen ab 27.4. öffnen
- Geld pro Pferd/Pony aus Bundesbern gefordert
- Taggeld-Lösung für Selbstständige da!
- Spendenaktion für Reitbetriebe
- Ausmal-Vorlagen und Malwettbewerb
- Malwettbewerb – Jetzt für die kleinen KünstlerInnen abstimmen
- Corona-Virus: Exit-Strategie für den Pferdesport noch unklar
- Ab auf die Weide?
- Corona-Krise: Fütterung der Bewegung anpassen
- Aktuelle Antworten rund um das Corona-Virus und Pferde-Haltung
- Corona-Krise: Vize-Präsident Damian Müller wendet sich an die Mitgliederverbände
- Zwei Wochen im Corona-Ausnahmezustand und es ist noch nicht vorbei!
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