Aus “Kavallo” 10/23/Vielerorts erfreut sich die Hengsthaltung immer grösser werdender Beliebtheit – unabhängig und unbeeindruckt davon, dass die Pferdehaltung insgesamt eher schwieriger und kostenintensiver wird. Dennoch geraten Ausdruck, Schönheit, Kraft, Stärke und Leistungsvermögen von Hengsten durch die sozialen Medien, Turniere, TV-Sendungen oder Demos und Veranstaltungen immer wieder in den öffentlichen Fokus. Mit einer scheinbar überraschenden «Leichtigkeit» gehen «Profis» mit den Tieren um und setzen sie nicht nur gekonnt in Szene, sondern zeigen auch, wie händelbar, kontrollierbar und vermeintlich «zähmbar» die männlichen Vertreter eigentlich sind. Das vermittelt schnell den Eindruck, dass auch der Freizeitreiter relativ problemlos einen Hengst in heimischen Gefilden halten kann. Aber ist das auch vertretbar? Was brauchen Hengste für ein artgerechtes Leben? Und welche Ansprüche stellen sie an ihre Halter?
Von Susanne Kreuer
Der Wunsch nach einem eigenen Hengst ist bei vielen Reitern überraschend groß. Oft sind sie sich im Klaren darüber, dass dieses Vorhaben herausfordernd sein kann, aber ausreichend Informationen bezüglich Haltung, Umgang und Erziehung sind eher selten vorhanden. Zwar eilt Hengsten anderseits vielfach ein (ungerechtfertigter) schlechter Ruf voraus, dieser scheint aber keineswegs davon abzuhalten, sich mehr oder minder vorbereitet in das Abenteuer Hengstkauf zu stürzen. Der Trend geht disziplinübergreifend hin zur privaten Hengsthaltung, wobei mitunter der praktikable Effekt, mit der eigenen Stute züchten zu können, weil das immer schon ein Lebenstraum war, endlich in Angriff genommen werden kann. Die Nachkommen könnten dann vorgestellt und/oder gewinnbringend verkauft werden. Außerdem könnte der stolze Hengst auf Turnieren starten, Erfolge und Titel holen, Berühmtheit erlangen und auf diese Weise auch noch Zusätzliches in die Kasse spülen. So trägt sich das ganze Konzept irgendwann regelrecht von selbst und der Hengst finanziert am Ende nicht nur die kleine Zucht, sondern wirft im besten Fall sogar noch Gewinne ab. Und wer weiß … möglicherweise wird aus einer „Schnappsidee“ am Ende des Tages noch ein richtiges Geschäftsmodell!
Diese naive (wenn auch hochmotivierte und leider nicht unrealistische) Herangehensweise klammert nur allzu gerne sowohl die Kompetenzen aus, die der Hengsthalter mitbringen muss, als auch die Schwierigkeiten, mit denen er sich konfrontiert sieht. Zwar mögen sich viele mit Hengsten „brüsten“, aber die notwendige Verantwortung in Bezug auf Haltung und Erziehung wird häufig von Besitzern und auch vom Stallmanagement unterschätzt (oder sogar vollständig negiert). In der Wirklichkeit gibt es etliche spezifische Besonderheiten zu berücksichtigen, damit die Hengsthaltung nicht für alle Beteiligten in einem Desaster endet. Auch soll ja im besten Fall eine Zusammenarbeit mit dem Tier erreicht werden, die insbesondere bei Hengsten verdient werden will. Einen vertrauensvollen Beziehungsaufbau haben auch sie nicht zu verschenken und sind in der Regel nicht bereit, die Profilneurosen ihrer Besitzer zu bedienen, sich unreflektiert einsetzen und verwenden zu lassen oder sich an Gegebenheiten anzupassen, die ihnen nicht zusagen. Haltung, Umgang und Erziehung von Hengsten gestalten sich anspruchsvoll und erfordern neben viel Einsatzbereitschaft auch etliche Kenntnisse, Frustrationstoleranz, Lernfähigkeit, Flexibilität, Lösungsorientiertheit, Konfliktmanagement sowie Durchhaltevermögen. Und wie bei allen anderen Pferden auch, sollte der erste Blick dem Tier und dessen Natur gelten, bevor weitere Schritte eingeleitet werden.
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