Es war an einem Sonntag Ende Juli. Die Schweizer Pferdezüchter riefen zum Tag des offenen Züchterstalls und ich folgte dem Ruf ganze fünf Minuten Autofahrt weit zum Hof Dietel in meinem Wohnort Nunningen im Schwarzbubenland. Und landete im Schlaraffenland der Liebhaber edler Pferde.
Text Daniela A. Caviglia
Als ich das erste Mal auf einer Hunderunde am Hof Dietel in Nunningen vorbeilief, dachte ich spontan: «Wenn ich je wieder ein Pferd haben sollte, dann soll es da stehen.» Das ist fast vier Jahre her, in denen ich auf Hundespaziergängen regelmässig den Blick auf die grossen Weiden mit den wunderschönen Pferdeherden von Weitem genoss. Als im Juli ein Araber-Hengstfohlen geboren wurde, von dem ich dachte, dass es mein nächstes Pferd werden könnte, nahm ich den Tag des offenen Züchterstalls zum Anlass, die Pferdehaltung von Urs und Stephanie Huber etwas näher unter die Lupe zu nehmen. Schliesslich wären Lage und Haltungsform perfekt für die Aufzucht eines (meines) jungen Hengstes.
Frisch verliebt
Auf dem Hof Dietel angekommen, durfte ich gleich mit anpacken. Alle Pferde standen noch draussen auf den weitläufigen Weiden und sollten in den Stall geholt werden, damit die Besucher sie in Ruhe ansehen konnten. Mit einem riesigen Packen Stallhalfter bewaffnet zogen wir als Erstes los zur Weide der Mutterstuten mit ihren Fohlen. Bald hielt ich zum ersten Mal seit dem Tod meines Seelenhengstes Zarif D’Ardusson AV wieder einen hochblütigen Schimmel am Strick, roch an der weichen Maulpartie, strich über den seidigen Hals der Anglo-Araber-Stute namens Larca-Bella de Oxalis AA.
Dann führte ich sie inmitten der anderen Mutterstuten in den Stall, um uns herum tänzelten die hochbeinigen, ausdrucksstarken Fohlen, beschnupperten mich und ich fühlte mich gesegnet. Schlicht und einfach gesegnet, anders kann ich dieses Gefühl nicht beschreiben. Und ich merkte, es war zurück. Das Pferde-Virus, dessen Symptome hauptsächlich aus dümmlichem Grinsen in der Gegenwart von Pferden besteht, aus einem schneller schlagenden Herz, vor Glück roten Wangen und dem unwiderlegbaren Wissen: Es gibt keinen schöneren Geruch auf der Welt als den von Pferden. Das Virus war wieder da, wie wenn es nie weg gewesen wäre. Und als ich noch die Junghengste verschiedener Jahrgänge kennenlernte, war ich auch schon hoffnungslos verliebt.
Bisschen verletzt
Zum Glück hat das kleine Araber-Hengstfohlen in der Zwischenzeit seinen Seelenmenschen gefunden und so konnte ich mich ruhigen Gewissens auf die schönen Warmblüter und Angloaraber von Urs und Stephanie einlassen. Ich fragte die beiden leidenschaftlichen Züchter, ob ich einmal die Woche die Junghengste besuchen und Zeit mit ihnen verbringen dürfte. Und rannte mit meiner Bitte offene Türen ein, denn mit 35 Pferden und als Familie mit Kleinkindern bleibt die Ausbildung der Jungpferde manchmal aussen vor. Zu wichtig ist das Fohlen-ABC für den aktuellen Jahrgang, das Allgemeinbefinden jedes einzelnen Pferdes.
Das Virus ist also wieder da, als wäre es nie weg gewesen, und wird auch wieder wöchentlich genährt. Aber andere Dinge haben mich in den acht pferdelosen Jahren verlassen: Reflexe und Wissen. Ersteres führte dazu, dass mir einer der Junghengste mit seinem Kopf einen so heftigen Nasenstüber verpasste, dass meine Nase mehrere Minuten lang blutete und tagelang schmerzte. Und die Brandblase an meiner Hand erinnerte mich daran, dass Handschuhe nicht nur bei der Bodenarbeit und dem Longieren sinnvoll sind, sondern auch, wenn man Jungpferde von der Weide holt, vor allem, wenn auf dem Weg zum Stall ein schreiender Kinderwagen und ein bellendes Auto stehen.
Hart verdient
Doch die beiden Vorfälle erinnerten mich auch daran, dass Reflexe und Wissen, das ich vor acht Jahren hatte, nicht einfach so da waren, sondern mit mehr oder weniger schmerzhaften Lektionen verdient werden mussten. Die Reflexe, die kommen mit der Zeit (und den neu zu lernenden, schmerzhaften Lektionen) wieder von selbst. Aber das Wissen? Beim Führtraining und der Bodenarbeit auf dem Reitplatz war ich mir, wenn etwas nicht klappte, nicht sicher, ob es an mir liegt oder am Hengstchen.
Hm. Ob es wohl Ausbilder und Trainerinnen gibt, die bereit wären, mir über die Schulter zu schauen und Fehler auszumerzen, bevor sie sich festsetzen? Und wenn ich dann jeweils für «Kavallo» einen Bericht schreiben würde, ein Trainingstagebuch sozusagen? Dann könnte ich gleich konkret aufzeigen, was es alles braucht, bis ein Fohlen aus Schweizer Zucht als zuverlässiger Sport- oder Freizeit-Partner glänzen kann. Und wieviel Einsatz, emotional, finanziell und arbeitsmässig, einem Schweizer Fohlen zugutekommt. Das wäre doch eine wunderbare Ergänzung zum Fohlentagebuch.
Voll verplant
Gedacht – getan. Eine kurze Frage auf Facebook, ob jemand dazu bereit wäre, brachte über ein Dutzend Meldungen aus der ganzen Schweiz. Von regelmässiger Unterstützung bei der Remonten-Ausbildung über punktuelle Trainingseinheiten bis hin zu Problemlösungen war alles dabei. Und so wurde innert nur einer Woche aus meinem «einmal die Woche die jungen Herren betüdeln» ein «zweimal die Woche Aus- und Weiterbildung für mich und die Herren».
Auf der nächsten Seite lest ihr also die erste Episode des Trainingstagebuchs, das auch «Tagebuch einer mittelalterlichen Wiedereinsteigerin nach acht Jahren Pferdepause» heissen könnte, es aber aus nachvollziehbaren Gründen nicht tut. Und wer mehr über die Oxalis-Schönheiten erfahren möchte, findet auf der Facebook-Seite oder der Website Bilder, Videos und Infos: www.facebook.com/gestuetoxalis, www.gestuet-oxalis.jimdosite.com.
Zur Autorin: Daniela A. Caviglia ist Chefredaktorin vom @KavalloMagazin, Social-Media- und Kommunikationsberaterin.
Auf dem Bild: Svenja Valentin hilft, die Jungs zu gruppieren, damit wir sie hier vorstellen können. Ganz links Mio-Bellissimo de Oxalis AACH, Dressur-Fohlenchampionatssieger 2019, gerade etwas dünn, da in die Höhe geschossen, an den Halftern von links nach rechts Con te Bellano de Oxalis AA (2017), Deliciano de Oxalis (2019) und Zaffiro-Bellano de Oxalis AA (2017).