Was Heilpflanzen so wirksam macht, ist ihr grosses Arsenal an sekundären Pflanzenstoffen. Dazu gehören Phenole, wie zum Beispiel das Thymol im Thymian oder die ätherischen Öle im Baldrian oder der Kamille. Sie greifen gezielt und schonend in die natürlichen Vorgänge des Organismus ein. Aus diesem Grunde dauert es einige Zeit, bis die Wirkung der Pflanze sichtbar wird.
Obwohl Heilpflanzen zumeist frei von Nebenwirkungen sind, kommt es gelegentlich vor, dass empfindliche Pferde allergische Reaktionen zeigen können, so zum Beispiel den Nesselausschlag nach der Verabreichung von Brennnesselkraut. Solche Reaktionen sind unbedenklich und werden nach dem Absetzen der Heilpflanze bald wieder verschwinden.
Grenzen der Selbstbehandlung
Zur Vermeidung solcher Vorkommnisse sollten Sie eventuelle Allergien unbedingt im Vorfeld mit Ihrem Tierarzt abklären. Auch wenn die heute bekannten Heilpflanzen bestimmten Leitsymptomen zugeordnet werden können, sind bei Anzeichen von Erkrankungen immer der Rat und die Diagnose des Tierarztes einzuholen. Das gilt ganz besonders bei akuten Erkrankungen. Vor allem Koliken und Viruserkrankungen, die meist mit Fieber einhergehen, sind immer ein Notfall und sollten niemals selbst behandelt werden. Ebenfalls ist Vorsicht geboten bei tragenden oder säugenden Stuten. Die für werdende Mütter ungeeigneten Kräuter sind in diesem Buch gesondert gekennzeichnet.
Die Dosierung
Für die korrekte Dosierung von getrockneten Heilkräutern lässt sich eine Faustregel anwenden: Bei akuten Beschwerden werden bis zu viermal täglich etwa 10 bis 30 Gramm getrocknete Pflanzen für Ponys und etwa 30 bis 50 Gramm für Grosspferde gegeben. Ausnahme hierbei sind die Teufelskralle und der Thymian: Hier entspricht die Tagesdosis nur etwa 15 Gramm pro Tag und Pferd. Bei Heilkräutermischungen können bis zu 100 Gramm täglich gegeben werden. Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass etwa 50 Gramm ausreichend sind. Die richtige Dosierung von frischen Pflanzen sieht wieder anders aus. Dort liegt die Tagesdosis bei etwa einer Handvoll.
Bitte beachten Sie, dass die Wirkstoffe der Pflanzenteile in etwa eine Woche benötigen, um ihre volle Wirkung zu entfalten. Die Phytotherapie ist keine Langzeittherapie. Sie sollte wie eine Kur mit dazwischen liegenden Behandlungspausen angewendet werden. Eine Kur mit Heilkräutern dauert sechs Wochen bis zu drei Monate bei akuten Erkrankungen und bis zu sechs Monate bei chronischen Beschwerden. Danach sollte eine Pause von mindesten drei Monaten erfolgen, um eine Gewöhnung des Organismus zu verhindern. Nur bei einigen chronischen Erkrankungen wie Dämpfigkeit, Hufrollenerkrankungen oder Hufrehe ist eine längerfristige Heilkräutergabe angesagt. Aber auch hier sollten gelegentliche Behandlungspausen, spätestens aber nach zwölf Monaten, eingelegt werden.
Die Anwendung von Heilkräutern
Heilpflanzen werden frisch oder getrocknet über das Futter gegeben, gegebenenfalls in einem Kleiebrei oder Mash verfüttert. Pferde mögen auch gerne einen Aufguss oder Tee, der handwarm übers Futter gegeben wird. Besonders angenehm ist dieser im Winter. Hierzu wird die jeweilige Menge des Heilkrautes mit einer Menge von etwa 300 Milliliter heissem Wasser überbrüht und mit dem Absud verfüttert. Als besondere Zugabe können Sie einen Löffel Honig beimischen, das mögen Pferde sehr gern.
Äusserlich werden Kompressen oder Umschläge angewendet. Hierzu wird Verbandmull, Watte oder ein Leinentuch mit dem Abguss des Heilkrautes durchtränkt und möglichst heiss (Vorsicht vor Verbrennungen!) auf die betroffene Stelle aufgelegt, mit einem Stück Plastikfolie bedeckt und, wenn möglich, mit einer Bandage umwickelt. Diese Methode kann beispielsweise gut zur Wundheilungsförderung eingesetzt werden.
Für unerfahrene Anwender von Heilpflanzen eignen sich am besten die getrockneten Pflanzen, da sie am einfachsten verabreicht und aufbewahrt werden können. Bewahren Sie Ihre Kräuter immer trocken, kühl und dunkel auf. Getrocknete Pflanzenteile müssen in gut verschliessbaren Gläsern, Blechbüchsen oder speziellen Teebeuteln aufbewahrt werden.
Beim Selbsttrocknen Ihrer Pflanzen müssen Sie unbedingt darauf achten, dass der Trockenraum schattig, luftig und vor Feuchtigkeit geschützt ist, denn nur allzu schnell beginnen die Pflanzen zu schimmeln und sind verdorben. Im prallen Sonnenlicht gehen viele Inhaltsstoffe wie die ätherischen Öle verloren. Die Trockentemperatur sollte 35 Grad Celsius nicht überschreiten.
Da trotz aller Vorsichtsmassnahmen im Laufe der Zeit die Wirksamkeit von wichtigen Inhaltsstoffen stetig abnimmt, sollten Sie keine sehr grossen Mengen bevorraten. Getrocknete Kräutervorräte sollten innerhalb eines Jahres verbraucht werden.
Möchten Sie Heilpflanzen selbst sammeln, sollten Sie unbedingt die nötigen botanischen Kenntnisse besitzen und genau darauf achten, dass die Pflanze nicht unter Artenschutz steht. Sammeln Sie nur die Pflanzen, die Ihnen genau bekannt sind, um Unverträglichkeiten oder gar Vergiftungen zu vermeiden.
Ziehen Sie Ihre frischen Pflanzen selbst im Kräutergarten oder im Blumentopf. Für den sicheren Umgang mit Heilpflanzen beziehen Sie diese am besten aus der Apotheke oder beim Fachhändler. Hier werden Ihnen auch die Heilpflanzenmischungen nach Ihren Wünschen zusammengestellt.
Die Anwendungsmethoden im Überblick
- Tee oder Aufguss, Infus: Teezubereitungen zählen zu den wohl ältesten medizinischen Anwendungen mit Heilpflanzen. Zur Bereitung eines Tees oder Aufgusses werden etwa 30 Gramm trockener Heilkräuter oder etwa 100 Gramm frischer Pflanzen mit 300 bis 500 Millilitern heissem, fast kochendem Wasser, übergossen. Nach 10 bis 15 Minuten kann der Aufguss lauwarm verfüttert werden.
- Absud: Für die äusserliche Anwendung eines Absuds wird ein Aufguss bereitet. Hier werden jedoch die Kräuter herausgefiltert oder durch ein Sieb gegossen. Gerne können Sie diese an Ihr Pferd verfüttern. Mit der verbleibenden Flüssigkeit werden Tücher oder Watte getränkt und auf die jeweiligen Körperstellen aufgelegt.
- Kompresse: Speziell zur Behandlung von Augenleiden oder Wundbehandlungen werden Kompressen verwendet. Geben Sie Absud auf Mullbinden oder Tücher oder tränken Sie diese mit Ihrem bereiteten Tee und halten sie auf die betroffene Körperpartie.
- Salben: Salben werden aus mit Fett oder Öl zubereiteten Kräutern durch Kochen hergestellt. Ein Rezept für Ringelblumensalbe finden Sie im vorgestellten Buch.
- Abkochung, Dekokt: Die Heilkräuter werden mit Wasser aufgesetzt und etwa zwei bis fünf Minuten lang gekocht. Nach dem Abkühlen lauwarm verfüttern.
- Kaltauszug, Mazeration: Die Kräutermischung wird mit kaltem Wasser übergossen und abgedeckt etwa sechs bis acht Stunden stehen gelassen. Danach kann der Tee kalt verwendet oder erwärmt werden.
Welche Verarbeitungsmethode für Sie die leichteste und angenehmste ist, werden Sie im Laufe Ihrer Anwendungen schnell herausfinden. Einige Pferde mögen sehr gerne warme Mahlzeiten, anderen muss man Heilkräuter erst schmackhaft machen. Probieren Sie mit Ihrem Pferd alles aus, dann finden Sie den richtigen Weg.
Aufgrund des mittlerweile etablierten Platzes der Heilkräuter in der Tierheilkunde findet sich bereits eine grosse Vielzahl von verschiedenen Fertigprodukten in Form von Einzelkräutern, Kräutermischungen, Salben, Ölen und Tinkturen im Handel. Diese Produkte vereinfachen die Anwendung und Dosierung enorm, sodass es auch für «Heilkräuter-Anfänger» möglich ist, auf sichere Weise Naturheilkräuter bei ihren Pferden anzuwenden. Ein kleines Studium der Kräuterheilkunde bringt Ihnen aber einen besseren Überblick und sollte daher nicht ausser Acht gelassen werden.
Die Inhaltsstoffe von Heilpflanzen
Bei den Inhaltsstoffen einer Heilpflanze handelt es sich um Stoffe, welche die Pflanze während ihres Wachstums durch ihren Stoffwechsel gebildet und gespeichert hat. Nicht alle Stoffwechselprodukte einer Pflanze sind von arzneilichem Wert. Die Begleitstoffe einer Heilpflanze steuern aber oftmals die Wirksamkeit des pflanzlichen Heilmittels, indem sie ähnlich wie Katalysatoren die Wirkungsweise beeinflussen. So entsteht ein Wechselspiel der pflanzlichen Heilkräfte. Hier eine Auswahl der wichtigsten Inhaltsstoffe:
- Ätherische Öle sind pflanzliche Inhaltsstoffe, die leicht flüchtig sind, in Wasser jedoch nur wenig oder nicht löslich sind. Sie riechen sehr stark und bis auf einige Ausnahmen auch sehr angenehm. Ätherische Öle wirken antibakteriell, entzündungshemmend, desinfizierend, krampflösend, vedauungsregulierend und durchblutungsfördernd.
- Alkaloide sind zumeist sehr stark wirkende Heilgifte. Pflanzen mit einem Hauptanteil an diesen Stoffen eignen sich nicht zur Selbstbehandlung. Sie werden in grossen Mengen von der pharmazeutischen Industrie verwendet. Alkaloide sind zum Beispiel das Morphin, das Gift des Schlafmohns oder das Atropin, das Gift der Tollkirsche, das Kokain, Codein, Koffein, Nikotin und das Strychnin.
- Bitterstoffe erhielten ihren Namen durch ihren bitteren Geschmack. Bitterstoffe regen die Produktion von Verdauungssäften, insbesondere von Magensäure, an und haben darüber hinaus eine tonisierende (kräftigende) Wirkung. Daher finden sie bei Appetitlosigkeit, Magenverstimmungen oder Verdauungsbeschwerden Anwendung.
- Flavonoide ist ein Sammelbegriff für verschiedene Stoffe gleicher chemischer Struktur. Sie kommen in den meisten Pflanzen vor und haben sehr unterschiedliche Wirkungen. So wirken zum Beispiel die Blätter der Birke harntreibend. Durch die schnelle Ausscheidung der Wirkstoffe sind Flavonoide zur Langzeit- und Kurbehandlung besonders gut geeignet. Hauptsächlich wirken sie bei Herz- und Kreislaufstörungen sowie Krämpfen im Verdauungstrakt. Die vielfachen Flavonoide sind massgeblich an der Gesamtwirkung einer Heilpflanze beteiligt.
- Gerbstoffe binden Eiweissstoffe der Haut und Schleimhaut und wirken somit entzündungshemmend, und sie helfen bei Reizungen und Verletzungen, indem sie den Krankheitserregern die Lebensgrundlage entziehen. Eine zu hohe Konzentration an Gerbstoffen kann allerdings auch den Magen sehr stark reizen.
- Glykoside sind eine im Pflanzenreich verbreitet vorkommende Stoffgruppe mit enormer Wirkungsvielfalt. Allen Glykosiden ist gemeinsam, dass sie durch Wasseraufnahme in einen Zucker und einen Nicht-Zucker, das Aglykon, gespalten werden können. Dieses bestimmt die Wirkung, zum Beispiel die schweisstreibende Wirkung des Holunders oder die Herzwirksamkeit des Weissdorns.
- Kieselsäure: Einige Pflanzen nehmen viel Kieselsäure aus dem Boden auf und lagern sie in ihren Zellen ab. Diese Pflanzen wirken besonders bei Störungen des Bindegewebes, der Haut und des Haars sowie des Horns. Der Körper benötigt Kieselsäure, um das Bindegewebe in Form zu halten.
- Linolensäure: Dabei handelt es sich um eine dreifach ungesättigte essenzielle Fettsäure, sogenanntes Vitamin F, das für den Stoffwechsel von grosser Wichtigkeit ist. Da der Körper nicht in der Lage ist, Fettsäuren zu produzieren, müssen diese mit der Nahrung aufgenommen werden.
- Saponine sind pflanzliche Glykoside, die in Verbindung mit Wasser einen seifenartigen Schaum erzeugen. Saponine wirken hauptsächlich schleimlösend und reinigend. In der Phytotherapie finden sie Verwendung zur Blutreinigung und Entzündungshemmung.
- Schleimstoffe sind kohlenhydrathaltige Stoffe, die in Wasser aufquellen und eine fadenziehende Flüssigkeit ergeben. Sie wirken lokal: Der Schleim legt sich als feine Schicht um Schleimhäute und wirkt so reizmildernd. Obwohl nicht viele Pflanzen in ausreichender Menge Schleimstoffe enthalten, um einen therapeutischen Hauptnutzen zu haben, wie zum Beispiel Isländisch Moos und Eibisch, beeinflussen die Schleimstoffe in anderen Pflanzen deren Gesamtwirkung. Schleimstoffe lockern den Darminhalt und wirken leicht abführend, wie zum Beispiel der Leinsamen.
- Vitamine, Mineralien, Spurenelemente und Aminosäuren: Diese für den Organismus lebenswichtigen Stoffe sind in verschiedenen Zusammensetzungen in allen Pflanzen vorhanden. Sie halten die Körperfunktionen in Gang. Enthält eine Pflanze zum Beispiel viele Vitamine, wird sie bei Mangelzuständen oder zur Vorbeugung verwendet. Vitamin C stärkt das Immunsystem, wie es etwa bei der Hagebutte oder der Kapuzinerkresse der Fall ist.
- Die wichtigsten Spurenelemente für unsere Pferde sind Selen für den Erhalt der Muskulatur, Zink für das Immunsystem, Mangan für den Muskelstoffwechsel, Eisen für die Blutbildung, Kupfer für die Knorpel und Gelenke sowie Jod für die Schilddrüsenfunktion.
Durch moderne Anbaumethoden ist die notwendige Versorgung mit diesen Stoffen im Futter nicht mehr gegeben. Bei Bedarf muss zugefüttert werden.
Achtung Doping!
Da die Behandlung unserer Pferde mit Heilkräutern und Naturheilmitteln zunehmend an Bedeutung gewonnen hat, sind viele Heilkräuter bereits auf den aktuellen Doping-Listen gelistet. Zur Übersicht sind die aktuell auf der Dopingliste der deutschen FN verzeichneten Heilkräuter im vorgestellten Buch mit dem Vermerk «Achtung: Doping!» gesondert gekennzeichnet worden. Um 100%ig sicher zu gehen, sollten sich Turnierreiter im Vorfeld allerdings nochmals genau darüber informieren.
Bei den meisten Heilpflanzen gilt eine Karenzzeit (Zeit von der letzten Gabe der Kräuter bis zum Turnierstart) von 48 Stunden. Eine Ausnahme bilden mittlerweile aber z.B. die Teufelskralle und der Ingwer, die aufgrund ihres hohen Wirkstoffgehaltes und der analgesierenden (schmerzlindernden) Wirkungsweise einer Karenzzeit von mindestens vier Tagen bedürfen.
Auch homöopathische Arzneimittel sind bis zu einer Verschüttelung (Potenz) bis D6 im Wettkampf nicht erlaubt und sollten mit einer Karenzzeit von 48 Stunden ausgesetzt werden. Alle Potenzen über D6, das heisst ab einer Verschüttelung von D7, sind unbedenklich.
Achtung Giftpflanzen!
Die Pflanzen, die allgemein als «Giftpflanzen» gelten, sollten vom Laien nicht verwendet werden. Ihre Anwendung darf nur mit grossem Sachverstand und genauester Kenntnis erfolgen. Bei unsachgemässer Anwendung von Giftpflanzen besteht akute Lebensgefahr für den Patienten! Normalerweise warnt der natürliche Instinkt unserer Pferde vor der Aufnahme von Giftpflanzen. Doch die Domestizierung macht auch hier nicht Halt und es kann sein, dass sich unsere Pferde einmal irren und für sie schädliche Pflanzen aufnehmen.
Ein Poster mit den gefährlichsten Giftpflanzen können Sie bei «Kavallo» bestellen.
Über das Buch «Naturheilkräuter für Pferde»
Leitfaden zur Gesunderhaltung von Pferden durch Heilpflanzen. In diesem Buch lernen Sie die wichtigsten Heilpflanzen für Pferde sowie ihre Verwendungsmöglichkeiten kennen. Zur besseren Übersicht sind sie nach ihren Hauptanwendungsgebieten, in denen sie ihre nützliche Wirkung entfalten, eingeteilt: Atmungsorgane, Verdauungsorgane, Bewegungsapparat, Haut und Haar, Stoffwechsel, Herz und Kreislauf, Nieren, Blase, Geschlechtsorgane, Nerven und Gemüt usw.
Naturheilkräuter für Pferde – (Krankheiten) vorbeugen und lindern, Claudia Naujoks, 96 Seiten, 17 x 24 cm, ca. 48 farbige Abbildungen, Softcover, ISBN: 978-3-8404-1526-5. Preis ab 18 Franken, 14 Euro.