Die sogenannte Blood Rule gehört zu den klarsten Tierschutzbestimmungen im internationalen Pferdesport. Sie besagt: Sobald während eines Wettbewerbs frisches Blut am Pferd sichtbar ist, erfolgt die sofortige Disqualifikation – unabhängig von Ursache oder Schwere der Verletzung. Diese Regel soll sicherstellen, dass Pferde nicht unter Schmerzen weiterreiten müssen und der Sport glaubwürdig bleibt. Doch genau diese Null-Toleranz-Linie steht aktuell auf dem Prüfstand.

Bild: Dressur-Pferd mit blutiger Lippe. (Archivbild) Quelle: dpa
Was ist die Blood Rule?
Die Diskussion um die Blood Rule bewegt derzeit die internationale Pferdesportwelt – und auch die Schweiz schaut genau hin. Die Regel, die bislang eine sofortige Disqualifikation bei sichtbarem Blut am Pferd vorsieht, steht auf der FEI-Generalversammlung (4.–7. November in Hongkong) zur Abstimmung. Der Sitz der Fédération Équestre Internationale (FEI) liegt in Lausanne – und damit ist die Schweiz nicht nur geografisch, sondern auch politisch das Zentrum dieser Debatte.
Warum wird die Regel jetzt diskutiert?
Auf der FEI-Generalversammlung (4.–7. November in Hongkong) steht ein Vorschlag zur Abstimmung, der die bisherige Strenge aufweichen könnte. Der International Jumping Riders Club (IJRC) und einige nationale Verbände fordern:
- Geringfügige Blutungen (z. B. Zungenbiss, Insektenstich) sollen nicht mehr automatisch zur Disqualifikation führen.
- Stattdessen: Verwarnungssystem mit abgestuften Sanktionen.
- Erst bei zwei Verwarnungen innerhalb von 12 Monaten drohen Geldstrafe (1.000 CHF) und einmonatige Sperre.
Befürworter argumentieren mit Praxisnähe: Nicht jede Blutspur sei ein Zeichen von Misshandlung. Kritiker warnen vor einer Aushöhlung des Tierschutzes und einem Verlust an Glaubwürdigkeit für den gesamten Sport.
Kritiker – darunter deutsche und internationale Tierschutzorganisationen – warnen vor einem „gefährlichen Signal“ und einer Aushöhlung des Tierschutzes. Auch Schweizer Experten mahnen: Die gesellschaftliche Akzeptanz des Pferdesports steht auf dem Spiel.
Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) beispielweise lehnt die Lockerung strikt ab [pferd-aktuell.de]:
„Für die FN steht das Wohl des Pferdes im Mittelpunkt allen Handelns. Diese Regeländerung passt nicht zu diesem Grundsatz.“
So FN-Präsident Martin Richenhagen.
Petitionen und öffentliche Debatte
Die geplante Änderung sorgt für massiven Widerstand:
- Über 50.000 Unterschriften in einer Woche für die Petition „Save the No-Blood-Rule“. [zdfheute.de]
- Kritiker sehen ein „gefährliches Signal“ für den Tierschutz und die gesellschaftliche Akzeptanz des Pferdesports. [zdfheute.de]
Was steht auf dem Spiel?
Die Diskussion berührt Grundsatzfragen:
- Wie viel Verantwortung trägt der Sport gegenüber dem Pferd?
- Wo endet Augenmass und beginnt Relativierung?
- Kann eine Grauzone das Vertrauen in den Pferdesport gefährden?
Die FEI verweist auf ihren Equine Welfare Strategy Action Plan, der seit 2024 gilt und Tierwohl ins Zentrum stellen soll. Doch passt eine Lockerung der Blood Rule dazu? In Zeiten, in denen Tierschutz und „Social License“ für den Pferdesport immer stärker hinterfragt werden, ist die Frage klar:
Braucht es mehr Augenmass – oder klare Grenzen?
Fazit
Die Abstimmung am 7. November wird richtungsweisend: Bleibt die klare Linie – oder öffnet sich die Tür für Ermessensspielräume? Sicher ist: Das Thema Tierschutz im Pferdesport ist kein Randaspekt, sondern Kern der Glaubwürdigkeit.
Was ist Ihre Meinung zu diesem Thema?
Eine Antwort zu „Blood Rule im internationalen Pferdesport – Null Toleranz oder Grauzone?“
-
Der Pferdesport steht insgesamt an einem kritischen Punkt. Die Art und Weise, wie wir mit unseren Pferden umgehen, wie wir trainieren, beurteilen und Leistungen erwarten, wird zunehmend hinterfragt – innerhalb wie außerhalb der Szene.
Dass überhaupt diskutiert wird, ob die Blood Rule abgeschwächt werden soll, ist eine Schande. Das sollte völlig indiskutabel sein.
Blut am Pferd – egal wodurch verursacht – ist ein unübersehbares Zeichen dafür, dass eine Grenze überschritten wurde. Die Antwort darauf darf nicht Relativierung sein, sondern Verantwortung.Pferde sind keine Sportgeräte. Sie sind Partner, Athleten und fühlende Lebewesen. In dem Moment, in dem ihr Schutz zur Verhandlungsmasse wird, verliert der Sport seine ethische Grundlage – und seine Glaubwürdigkeit. Gerade in einer Zeit, in der der Pferdesport ohnehin kritisch betrachtet wird, liefert jede Verwässerung dieser Standards Munition für jene, die das Reiten grundsätzlich als Missbrauch ansehen. Das schadet nicht nur dem Sport, sondern vor allem den Pferden.
Wir alle – unabhängig von Disziplin oder Leistungsstufe – tragen Verantwortung. Wenn sportliche Anforderungen, Trainingsmethoden oder Leistungsdruck so hoch werden, dass Pferde körperlich oder mental über ihre Grenzen gehen, dann ist nicht das Pferd gefordert, sich anzupassen. Dann muss sich der Sport ändern.
Ein klarer, unverhandelbarer Standard zum Schutz des Pferdes ist keine Einschränkung. Er ist die Voraussetzung dafür, dass der Pferdesport überhaupt eine Zukunft hat.
Schreibe einen Kommentar zu Barbara Schär Antwort abbrechen
Jeden Donnerstagabend erhalten Newsletter-Abonnentinnen und -Abonnenten
ausgewählte Artikel sowie die nächsten Veranstaltungen bequem per E-Mail geliefert.




Schreibe einen Kommentar zu Barbara Schär Antwort abbrechen