Die wachsende Sensibilität gegenüber der Haltung von Pferden hat zu grossen Veränderungen in der Haltung geführt. Dabei sind aber auch Probleme und offene Fragen aufgetaucht, die früher noch wenig beachtet wurden oder nicht von Bedeutung waren. Das Fütterungsmanagement -zählt zu den grossen Herausforderungen.
Um die gängige Pferdehaltungspraxis optimieren zu können, beschäftigen sich Forscher und Praktiker unter anderem vermehrt mit dem Fütterungsmanagement. Ein wichtiger Aspekt der pferdegerechten Haltung ist die Möglichkeit, sich lange und über den Tag verteilt mit der Futteraufnahme zu beschäftigen. Unter natürlichen Bedingungen deckt die Futtersuche und Futteraufnahme zwischen 51 und 64 Prozent des 24-Stunden-Tages ab, also 12 bis 16 Stunden. Eine zu kurze Fressdauer entspricht nicht den natürlichen Bedürfnissen und gilt als Risikofaktor für Erkrankungen des Verdauungstraktes und das Entwickeln von Stereotypien. Nicht nur die totale Fressdauer spielt bei der Beurteilung des Fütterungsmanagements eine -Rolle. Der Häufigkeit der Futter-vor-lage kommt ebenfalls grosse Bedeutung zu. Natürlicherweise machen Pferde abhängig von der Jahreszeit keine Fresspausen von mehr als drei bis vier Stunden. Pferde verfügen zudem nicht wie wir Menschen über Dehnungsrezeptoren im Magen, welche ab einer gewissen Magenfüllung ein Sättigungsgefühl hervorrufen. Man geht davon aus, dass es vielmehr die Ermüdung der Kaumuskulatur ist, die dem Pferd das Gefühl gibt, satt zu sein, und daher die weitere Nahrungsaufnahme hemmt. Damit sich ein wildlebendes Pferd vom kargen, energiearmen Steppengras ernähren kann, muss es gegen 60000 Kauschläge pro Tag ausführen. Diese Zahl gilt deshalb als grober Referenzwert, der auch für domestizierte Pferde anzustreben wäre.
40 bis 50 Minuten für 1 kg Heu
Ein Hauspferd zeigt in der Regel bedeutend weniger Kautätigkeit und ist kürzer mit Fressen beschäftigt, da die vorgelegten Futtermittel durch ihren hohen Futterwert bereits viel früher seinen Bedarf an Nährstoffen decken und daher nur rationiert angeboten werden. In der Fachliteratur wird davon ausgegangen, dass ein Pferd un-gefähr 40 bis 50 Minuten braucht, um 1 kg grobes Heu aufzunehmen. Es führt dabei rund 3500 Kauschläge aus. 1 kg Hafer wird in rund zehn -Minuten verzehrt und löst zirka 800 Kauschläge aus. Die somit in vielen Haltungen stark re-duzierte Dauer der Futteraufnahme und die geringe Kautätigkeit unserer Haus-pferde können zu einer chronischen Frustration führen, da das genetisch fixierte stark ausgeprägte Fressbedürfnis des Tieres nie richtig befriedigt wird.
Forschungsgruppen wie auch Stallbaufirmen suchen daher nach Möglichkeiten, den Pferden, insbesondere den wenig oder ungenutzten leichtfuttrigen Tieren, eine arttypische ausgiebige Beschäftigung mit der Nahrungsaufnahme zu ermöglichen – ohne dass diese überernährt und schliesslich adipös würden. Eine Hilfe für das Testen verschiedenster zu diesem Zweck entwickelten, Neuheiten ist ein am Pferdehalfter angebrachtes Messgerät, welches die Kautätigkeit automatisch erfassen bzw. aufzeichnen kann. Ein solches Gerät wurde bereits für Rinder entwickelt und wird zurzeit unter Mithilfe des Schweizer Nationalgestüts für Pferde angepasst und validiert. Erste Resultate zeigen, dass die Messgenauigkeit hoch ist und in Übereinstimmung mit anderen Literaturangaben eine Anzahl von rund 750 Kauschlägen pro 10 Minuten Heufressen erfasst.
Nahrungsaufnahme verlängern
Innovative Forschungsprojekte setzen einerseits bei der Gestaltung von Futterraufen oder anderen Futterdispensern an, andererseits suchen sie nach Lösungen zur besseren Verteilung der Futterrationen während 24 Stunden mittels eines zeitgesteuerten Zugangs zum Futter. Um die Beschäftigung mit der Nahrungsaufnahme zu verlängern und die Fressgeschwindigkeit zu verringern, werden vermehrt Heuraufen entwickelt, bei welchen das Raufutter mit einem Gitter abgedeckt oder mit einem Netz überspannt wird («Sparraufen»), um die Fressgeschwindigkeit zu vermindern. Auch aufgehängte Heunetze können diesen Zweck erfüllen. Der Maschen- bzw. Gitterweite kommt dabei grosse Bedeutung zu. In einem laufenden Versuch am SNG konnte bisher bei einer Maschenweite von 4,5?x?4,5 cm noch keine erhebliche Reduktion der Fressgeschwindigkeit festgestellt werden. Ein Versuch am deutschen Wissenschaftszentrum Weihenstephan mass bei einer Maschenweite von 4×4 cm hingegen eine Verdoppelung der Fresszeit im Vergleich zu lose am Boden vorgelegtem Heu. Bei Heunetzen ist zu beachten, dass sie nicht zu hoch angebracht werden, was zu einer unphysiologischen Körperhaltung beim Fressen führt. Hängen die Netze allerdings zu tief, kann ein Hineintreten und Hängenbleiben nicht ausgeschlossen werden. Der tiefste Punkt des Netzes sollte sich gemäss Leitlinien zur Pferdehaltung des Deutschen Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft auf einer Höhe von 30 bis 50 cm über dem Boden befinden. Auch bei fix montierten Raufen ist auf die natürliche Körperhaltung der Tiere zu achten.
Idealerweise fressen die Pferde mit gesenktem Kopf und zupfen das unten liegende Heu mit einer dem Grasen sehr ähnlichen Bewegung aus dem Netz oder zwischen den Gitterstäben heraus. Es bestehen allerdings bereits Befürchtungen, dass sich Pferde durch dieses Verhalten vermehrt ihre eigenen Tasthaare am Maul abscheuern. Vertikal angebrachte Raufen, bei welchen das Pferd den Kopf seitlich verdrehen und allenfalls die Unterhalsmuskulatur vermehrt anspannen muss, um Heu herauszuziehen, könnten möglicherweise zu negativen Auswirkungen auf die Wirbelsäule und den gesamten Bewegungsapparat führen. Wissenschaftlich fundierte Resultate, die diese Befürchtungen bestätigen, gibt es jedoch noch nicht. Der Forschungsbedarf ist somit vorhanden, um solche Hypothesen auch zu objektivieren.
Fütterungseinrichtungen werden von den Pferden in der Regel geduldig und ausgiebig bearbeitet und sind daher oft unterschätzten Belastungen ausgesetzt. Wurde ein Netz zerrissen oder ist eine Raufe defekt, kann dies zu einem erheblichen Verletzungsrisiko für die Pferde führen. Gewisse Modelle von Heuspendern sind daher speziell robust und aus splittersicherem Material hergestellt.
Zeitgesteuerter Zugang zum Rau- und Kraftfutter soll ebenfalls der natürlicheren Nahrungsaufnahme dienen, indem die Futterrationen ohne Mehraufwand für den Betreuer auf häufigere Portionen verteilt werden. Eine entsprechende Heuraufe für Pferde wurde am SNG getestet, der Prüfbericht kann auf der Homepage des SNG heruntergeladen werden.
Kurzer Weidegang – hohe Futteraufnahme
Gerade bei leichtfuttrigen Pferden und speziell bei Hufreheanfälligen Tieren wird der Weidegang oft auf wenige Stunden reduziert, um die Grasaufnahme tief zu halten. Forscher der North Carolina State University konnten jedoch zeigen, dass die Fressgeschwindigkeit und somit die Menge des aufgenommenen Grases pro Stunde stark zunimmt, je kürzer die zu-gestandene Weideperiode ausfällt. Erhielten Pferde während 24 Std./Tag Weidegang, nahmen sie im Durchschnitt 0,35 kg Gras pro Stunde auf, bei 6 Std. Weidegang 0,75 kg und bei nur 3 Std. Weidegang 1 kg – also fast dreimal mehr als bei permanenter Weidehaltung. Es kann also sein, dass eine gutgemeinte Einschränkung der Weidezeit genau das Gegenteil, nämlich eine erhöhte Grasaufnahme, bewirkt. Seit Längerem werden auch verschiedene Maulkorbmodelle auf dem Markt angepriesen («Fressbremsen»), welche das Grasen auf der Weide zwar nicht gänzlich -verhindern, aber immerhin deutlich erschweren. Eine am britischen Writtle College durchgeführte Masterarbeit konnte diesen Effekt tatsächlich nachweisen. Allerdings ist der Einsatz solcher Fressbremsen erfahrungsgemäss nicht bei allen Pferden gleichermassen erfolgreich und unproblematisch. Einigen gelingt es regelmässig, sich davon zu befreien, und andere verfallen in eine anscheinend tiefe Resignation, ähnlich dem Phänomen einer «erlernten Hilflosigkeit». Es gilt genauer zu untersuchen, ob eine allenfalls ausgelöste Frustration bei den Pferden höher einzustufen ist als der Nutzen dieser Fressbremsen. Zudem ist zu beachten, dass das Tragen eines Maulkorbes das Sozialverhalten, das Körperpflegeverhalten und allenfalls die Wasseraufnahme von Pferden stört. Zudem kann es zu unerwünschten Haut- und Haarabrieben im Kopfbereich kommen.
Alle diese Methoden zur Verbesserung des Fütterungsmanagements -haben Vor- und Nachteile. Das Ziel ist es, die Futteraufnahmedauer zu verlängern und die Kauaktivität zu erhöhen, ohne dass die Pferde dadurch zu dick werden. In Vergessenheit gerät dabei manchmal die Hauptursache des Problems, nämlich zu wenig Bewegung in Kombination mit gehaltvollen Futtermitteln, welche sich zu stark von den in der Natur verzehrten rohfaserreichen und ansonsten gehaltarmen Steppengräsern unterscheiden.
Weitere Informationen: www.agroscope.admin.ch/haras