Wie sichert man Pferden und Ponys die nötige Bewegung, wenn BesitzerInnen, Reitbeteiligungen oder aus Krankheitsgründen ein Teil des Stallbetreiber-Teams nicht mehr mithelfen können? Einfach ab auf die Weide? Und was, wenn keine Weiden zur Verfügung stehen?
Diese Fragen hat Kavallo Hans-Peter Rüegger gestellt. Der Landwirt betreibt auf dem Birkenhof einen Aktivstall und hat viel Erfahrung damit, Pferde zu Gruppen zusammenzufügen und sie an gemeinsamen Auslauf zu gewöhnen. Als ideale Auskunftsperson für diese Fragen wurde Rüegger von Sandra Schaefler, Fachstelle Heimtiere/Pferde des STS, empfohlen.
Schnell, das ist das Problem
“Normalerweise dauert die Gruppenbildung in der Pferdehaltung bis zu sechs Monate, bis jedes Pferd mental zu einem vollwertigen Gruppenmitglied geworden ist, die heikle Phase in der Regel zwei Monate”, so Rüegger. Eine schnelle Lösung gebe es nicht. Jedoch hat Rüegger bereits Erfahrungen mit Krisensituationen. Als im Spätherbst letzten Jahres bei einem der Pferde im Aktivstall Druse festgestellt wurde, mussten zehn Wallache von jetzt auf sofort abgetrennt werden. “Wir haben sie auf eine externe, grosse Weide ausgelagert, wo sie bis zum Quarantäne-Ende bleiben mussten.” Man kann sich gut vorstellen, wie diese Weide nachher ausgesehen hat, so nass wie der letzte Winter war. Doch Rüegger war selber überrascht, wie schnell sich das Land nach der extremen Belastung wieder erholt hat.
So viel wie möglich öffnen
Zwei Monate Zeit, das hat im Moment niemand. “Wenn man schnell Pferde auf Weiden auslagern oder zu Gruppen zusammenstellen muss, dann ist es enorm wichtig, dass sie so viel Platz wie möglich haben”, rät Rüegger. Jede zusammenhängende Weidefläche soll möglichst als eine einzige Grossweide gezäunt werden. “Normales Weidemanagement muss man in solchen Zeiten einfach mal vergessen”, betont er, “sobald sich die Pferde aneinander und an den Auslauf gewöhnt haben, kann man die Weiden wieder portionieren.”
Auch Anweiden braucht Zeit
Heute weiss man, dass die Zucker- und Stärke-Bestandteile (Fruktane) in der Graspflanze bei Pferden die gefürchteten Erkrankungen wie Koliken und Hufrehe fördern. Und die Fruktane sind im Frühling bei jungem Gras am höchsten. Stark gefährdete Pferde sollten also genau jetzt nicht auf die Weide. Doch auch dagegen gibt es Massnahmen, welche die Gefahren mindern. “Wenn die Weiden schon über viel junges Gras verfügen, kann man einen Bauern bitten, es abzusilieren”, rät Rüegger. Die ganze Weide wird also vom Landwirt gemäht und zu Silage verarbeitet. So kann man die Pferde mit Raufutter versorgen und sie nehmen auf der Weide nicht zu viel frisches Gras auf. Für besonders gefährdete Pferde und Ponys könnte auch ein Weidemaulkorb in Betracht gezogen werden.
Wenn keine Weiden verfügbar sind
Klar im Vorteil ist als StallbetreiberIn oder PferdebesitzerIn, wer bereits einen Offen- oder Aktivstall hat und über Weideland verfügt. Doch nicht alle Pferdebetriebe sind derart aufgestellt. Was empfiehlt Rüegger diesen Betrieben? “Auf Sportanlagen ist das wirklich keine leichte Übung. Am ehesten kann man dort die Sand- und Reitplätze (sowie Reithallen, Anm. der Redaktion) kleinen Gruppen aus Pferden, die sich kennen und vertragen, stundenweise zur Verfügung stellen.” Auf jeden Platz solle man mehrere Heunetze verteilen, damit die Pferde beschäftigt seien. “Ich weiss, dass das viel Umdenken seitens der Betreiber fordert, Heufütterung auf einem Reitplatz scheint für viele unmöglich, doch spezielle Zeiten fordern spezielle Massnahmen”, sagt Rüegger.
Nur in Zusammenarbeit mit den BesitzerInnen
Ob Gross-Weide, Gruppen-Paddock oder Reitplatz-Umnutzung; neue Massnahmen sollen immer in Zusammenarbeit mit den PferdebesitzerInnen eingeführt werden. “Es ist enorm wichtig, das alles genau miteinander zu besprechen und immer offen zu kommunizieren”, schöpft Rüegger wieder aus seinen Erfahrungen mit der Druse-Quarantäne in seinem Stall. Wichtig auch zu wissen: Erhalten die Pferde und Ponys genug freien Auslauf, ist die Bewegung unter dem Sattel auch nicht mehr aus tierschützerischen Gründen absolut notwendig und der Zutritt zu seinem Pferd kann auch nicht mehr unter diesem Aspekt erlaubt sein. Ausritte oder Platztrainings wären dann vermutlich nicht mehr möglich, solange die landesweiten Massnahmen gegen das Corona-Virus gelten.
Je mehr freier Auslauf für die Pferde, umso weniger Neuansteckungen für den Menschen
Das kann Menschenleben retten. Denn je weniger Menschen sich im öffentlichen Raum bewegen, umso langsamer verbreitet sich das Virus. Sehr eindrücklich demonstriert das dieses Video mit animierten Grafiken von der “Washington Post”:
Doch es ist verständlich, dass für viele die Vorstellung, ihre Pferde oder Ponys für mehrere Wochen nicht mehr sehen zu können, der absolute Horror ist. Das ist ein ganz heftiger Verzicht für ein unsichtbares Virus, das noch nicht in wirklich beunruhigendem Ausmass den eigenen Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis erreicht hat. Umso nobler ist es, wenn Betriebe in Zusammenarbeit mit den PferdebesitzerInnen möglichst schnell auf täglichen Freigang der Pferde umstellen. Also: Who let the horses out?
Disclaimer der Autorin Daniela A. Caviglia
“Die hat gut reden, die Caviglia, sie hat ja aktuell gar keine Pferde”, könntet ihr jetzt sagen. Und es ist so, ich würde leiden wie ein Hund, wenn mein Seelenpferd Zarif noch leben würde und ich von ihm getrennt wäre. Meine Pferde waren für mich – wie es meine drei Hunde sind – immer Familienmitglieder, an denen mein ganzes Herz hängt. Aus diesem Grund hielt ich sie auch die ganzen Jahre lang als Selbstversorger im Offenstall neben dem Haus. Den ersten Kaffee frühmorgens in Sichtweite zu meinen Jungs auf der Weide oder im Auslauf zu trinken, das leise Begrüssungsgebrummel von Zarif mehr in meinem Innern zu spüren als zu hören, auf all das hätte ich nie verzichten können. Weshalb für mich auch nur diese Haltungsform in Frage kam. Auch wenn niemand jemals mit einer solchen Situation, wie wir sie jetzt haben, hätte ernsthaft rechnen können, so ist sie nun Wirklichkeit. Jetzt gerade. Weltweit. Ich leide mit jedem Einzelnen, jeder Einzelnen von euch mit, die ihr eure Pferde und Ponys über alles liebt, und sie nun nicht mehr so oft, für eine Weile gar nicht mehr sehen könnt oder gar freiwillig auf euer Recht verzichtet. Aber ich leide auch, weil meine Brüder und Schwestern alle zur Risikogruppe gehören (ich bin Nr. 11 von 11), weil zwei Brüder im Tessin und in Norditalien leben und ich befürchte, dass ich weiss, was alles noch auf uns zukommen kann. Die Entscheidung “Verzicht aus Vernunft und Solidarität, auch wenn es so richtig weh tut” kann einem niemand abnehmen. Kein Verband, kein Verein, keine Zeitschrift und schon gar nicht ich. Jede und jeder Einzelne muss diesen Prozess des Entscheidens selber durchlaufen. Ich wünsche euch allen viel Kraft und euch, euren Liebsten und euren Seelentieren gute Gesundheit! Und danke, dass ihr die Kavallo-Spendenaktion für Reitschulen und Ponyhöfe so toll unterstützt 🙏
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