Dossier: 10/19

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Wer sich rund ums Pferd aus- und weiterbilden lassen will, kann aus einem immer grösser wer­denden Angebot sein passendes Pro­gramm aus­wäh­len. Nebst neu auf­­tre­ten­den privaten Anbietern bereichert nun auch das Iena Avenches mit der Campus Academy den mannigfaltingen Ausbil­dungs­platz Schweiz.

Wenn im Iena Avenches, dem Institut Equestre National d’Avenches, nun noch eine Academy die Arbeit aufnimmt, kann das in der Schweizer Pferdeszene nur begrüsst werden. Nicht, dass es an Ausbildungsmöglichkeiten fehlen würde, aber weil nie genug Ausbildung rund ums Pferd angeboten werden kann. Denn selbst in den besten Zeiten  des Schweizer Pferdesports beklagte sich ein Kavallerie-Offizier in den 1940er-Jahren im «Schweizer Kavallerist», dem Vorgänger unseres KAVALLO, darüber, wie erschreckend schlecht selbst die Kavalleristen reiten würden. Den Grund dafür sah Hauptmann Bachofner allein in der Bequemlichkeit der Dragoner, sich im Reiten und Pferdewissen weiterzubilden. Mit Ausbildung rund ums Pferd beschäftigen sich aber nicht nur Berufsreiter und -fahrer, auch der Pferdesportverband misst ihr so viel Bedeutung zu, dass eines der sechs Vorstandsmitglieder für die Aus- und Weiterbildung zuständig ist und sich eine Kommission allein mit der Grundausbildung auseinandersetzt. Dies in enger Zusammenarbeit mit den Regionalverbänden, den ihnen angeschlossenen Vereinen und weiteren Akteuren aus der Branche wie dem Berufsverband Swiss Horse Professionals.
NPZ mit Komplettangebot
Als eigentliche «Reitschule der Nation» hat die ehemalige Eidgenössische Militärpferde-Anstalt Bern einst gewirkt, ein noch breiteres Angebot präsentiert heute deren Nachfolgerin. Das Nationale Pferdezentrum Bern sieht die Ausbildung von Mensch und Pferd als eine seiner Hauptaufgaben. Die Ausbildung des Menschen beschränkt sich dabei nicht auf das Reiten, sondern umfasst die gesamte Wissensvermittlung rund um das Pferd. Durch die vielseitigen Tätigkeiten des NPZ, unter anderem mit den dazugehörenden Abteilungen Schmiede, Pferdeklinik und Zuchtstation, gehen Praxis und Theorie Hand in Hand. Wertvolles Wissen aus jahrzehntelanger Tätigkeit mit dem Pferd kann so weitergegeben werden. Der Unterricht erfolgt durch Praktiker, die tagtäglich mit Pferden arbeiten und über einen grossen Erfahrungsschatz verfügen. Die Lehrenden sind damit selbst stets am Puls der Pferdewelt und wissen, welche Fragen aktuell sind und die Rösseler bewegen. Dank der starken Vernetzung der Genossenschaft in der Schweizer Pferdebranche werden zahlreiche Weiterbildungsangebote mit Partnern aus der Bildung, der Forschung und aus dem Verbandswesen angeboten. Ebenfalls werden durch die Zusammenarbeit mit dem Inforama (Berufsschule), der OdA Pferd und der HAFL sowie weiteren Institutionen der Pferdebranche aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung mit der Praxis verbunden. Die breite Aufstellung des NPZ über Pferderassen und Pferdesportdisziplinen hinaus ermöglicht einen offenen Diskurs, der Pferdeinteressierten – ob Reiter oder Nicht-Reiter – das Lebewesen Pferd ein Stück näher bringt. Die Grundpfeiler der Ausbildung im Nationalen Pferdezentrum sind daher:
• Umfassende Ausbildung rund ums Pferd in Theorie und Praxis
• Weitervermittlung von gesammeltem Wissen aus der Praxis
• Zusammenarbeit mit Bildung, Forschung und dem Verbandswesen
• Kindergerecht am Pony
Ab dem Alter von sechs Jahren können Kinder im Nationalen Pferdezentrum Bern Kinderkurse rund ums Pferd beziehungsweise Pony besuchen, die «Rittirössli»-Kurse. Der Schwerpunkt bei der Ausbildung der Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren liegt nicht auf dem Reiten, vielmehr der Umgang mit dem Pony steht im Vordergrund. Das Grundlagenwissen wird altersgerecht, die Theorie spielerisch vermittelt und das Gelernte kann direkt am Pony oder Pferd geübt werden. Vom Boden aus lernen die Kinder, mit dem Pferd zu kommunizieren und sich auch durchzusetzen. Während den Kursen erarbeiten die Kinder die unterschiedlichsten Themen rund ums Pferd und können sich dabei Badges (Kinderausbildung SVPS) verdienen, z.?B. Putzen des Pferdes. Ziel ist der respektvolle und vertrauensvolle Umgang mit dem Pony und dem Pferd. Mithilfe erster Übungen auf dem geführten Pferd, zuerst ohne und später mit Sattel, wird das Gleichgewicht und die Koordination der Kinder geschult. Ziel dabei ist ein unabhängiger, geschmeidiger und ausbalancierter Sitz. In der nächsten Stufe bei den «Rittirössli» verbringen dann die Kinder bereits mehr Zeit auf dem Pferderücken und die Zügelhaltung kommt dazu. Die Kinder lernen, die korrekte Hilfengebung einzusetzen, und erhalten unter anderem Lektionen an der Longe in allen drei Grundgangarten. Beim darauffolgenden Kurs für zehn- bis zwölfjährige Kinder, dem «Rittirössli Ponyclub», lernen die Teilnehmer ihre Pferde selbstständig für das Reiten bereit zu machen und auch einzurücken. Die Grundausbildung im Sattel und am Boden wird verfeinert. Natürlich werden auch auf dieser Ausbildungsstufe die Kenntnisse rund ums Pferd weiterhin vertieft.
Frühestens im Alter von zehn Jahren beginnen die Kinder mit Gruppenunterricht in der Reitschule. Mit fortgeschrittenem Können und Alter kommen auch Springgymnastik und das Reiten im Gelände dazu. In Ferien-, Attest- und Diplomkursen wird das Wissen rund um das Pferd weiter vertieft und gefestigt.
Ab zehn Jahren kann auch das Fahren im NPZ erlernt werden. Es finden zudem Schnupperkurse für Neueinsteiger statt. Im Fahrunterricht gehört das Erlernen des Umgangs und des Anschirrens sowie die Wissensvermittlung über Geschirre und Kutschen dazu. Diplom- und Brevetkurse im Fahren werden zwei Mal jährlich angeboten – Theorie und Praxis werden dabei sinnvoll verbunden.
Das Nationale Pferdezentrum bietet in jeder klassischen Reitsportdisziplin inklusive Bodenarbeit und Voltige Unterricht einzeln oder in der Gruppe an. Als Genossenschafter führt der ZKV zudem im NPZ seine Nachwuchstrainings und -lager durch.
Ganzjährige Weiterbildung
Im Nationalen Pferdezentrum gibt es ganzjährig ein vielseitiges Weiterbildungsangebot rund ums Pferd. Die Kurse richten sich an Erwachsene und Jugendliche mit oder ohne eigenem Pferd. Ihren festen Platz im Programm haben:
• Schlauer Montag – alles rund ums Pferd
• Kurse rund um den Huf und die Pferdegesundheit
• Equigarde (Leitung HAFL – in Zusammenarbeit mit Schweizer Nationalgestüt)
• Brennpunkt Pferd (Forschung und Praxis – in Zusammenarbeit mit Inforama und HAFL)
• Kurse zur Medizinischen Reitlehre nach Dr. Stodulka
• Zahlreiche weitere Kurse und Seminare (z.B. Seminar Hufrehe, Sattelseminar, Weiterführungskurs Hufpflege, Workshop zum Verhalten von Reitern etc.)
Die Zusammenarbeit und der Austausch mit zahlreichen weiteren Institutionen ermöglichen ein breites, vielseitiges Angebot an Weiterbildungsmöglichkeiten.

Sechs Jahre Reitunterricht bis Brevetreife?

Die Anfang Jahr vom Pferdesportverband aufgegleiste Ausbildungsstruktur mit der neuen Grundausbildung und den angepassten Brevets ist an der SVPS-Präsidentenkonferenz von Vorstandsmitglied Martin Habegger thematisiert worden. Um das Niveau zum Zeitpunkt der Zulassung zum Turniersport anzuheben, wurde bei der Grundausbildung eine neue Ausbildungsstufe eingeführt, die im reiterlichen Teil geringere Anforderungen stellt, dafür aber noch keine Berechtigung zur Teilnahme an Wettkämpfen darstellt. Die Anforderungen beim Brevet wurden hingegen erhöht. War 2017 ein Abwärtstrend bei der Anzahl eingelöster Brevets festzustellen, wies 2018 wieder eine steigende Tendenz auf, was sich mit den anstehenden Veränderungen der Ausbildungsstruktur ab 2019 erklären lässt. 
Die Neuausrichtung der Ausbildungsstruktur wird weiter vorangetrieben, so dass ab 2020 neue Brevets in den Fachrichtungen Western und Voltige zur Verfügung stehen werden. Silber- und Goldtests werden neu als Brevets angeboten. OKV-Präsident Michael Hässig warf ein, dass in der Ostschweiz seit diesem Jahr weniger Brevets angeboten würden, da die Reitschulen nicht über eine genügend grosse Anzahl gut ausgebildeter Pferde verfügten, die den neuen Anforderungen gewachsen seien. Zudem müssten Reiterinnen und Reiter mit sechs Jahren wöchentlichem Reitunterricht rechnen, um die Brevetreife zu erreichen. Eine Einschätzung, die von den anderen Präsidenten so nicht geteilt wurde.

Ein Schulstall wie in alten Tagen als Wunschziel

Fast ausufernd ist das Angebot in der Grund- und Basisausbildung rund ums Pferd. Bernhard Hofer, dem ersten Betriebsleiter des Nationalen Pferdezentrums, reicht das nicht. Ihm fehlt eine nächsthöhere Ausbildungsstätte und er wünscht sich wieder einen Schulstall, wie das in der «Reitschule der Nation» während den militärisch geprägten 100 Jahren der Fall gewesen war. Nicht zuletzt aus tierschützerischen Überlegungen: «Unsere Pferd sind Arbeits- und Leistungstiere, die, und das ist zentral tierschutzrelevant, hohe Anforderungen an uns stellen. Die aus der Leistungszucht hervorgehenden Pferde verlangen deshalb von den Reitern grosses Können und viel Beschäftigung. Den Pferden sind deshalb gute Reiter zu wünschen.» Bei Hofer bleibt es nicht nur bei Worten, er lässt zum zweiten Mal über den «Verein Schweizerisches Reitergymnasium» ein Stipendium «Nachwuchs für die Schweizer Pferdewelt» ausschreiben: «Die Erfahrungen mit dem ersten vergebenen Stipendium waren sehr gut. Nun hoffen wir, dass wir für 2020 wieder eine motivierte Berufsperson finden, die Theorie und Praxis auf höherem Niveau praktizieren möchte.»
Für die zusätzliche Weiterbildung von talentierten und motivierten Jugendlichen stellt das Stipendium monatlich 1000 Franken zur Verfügung. Für Hofer eine gute Investition, denn die Nachfrage nach gut ausgebildeten Berufsreitern sei vorhanden, wie auch regelmässige Anfragen beim NPZ aufzeigten. Als langjähriger Kenner der Szene weiss er allerdings, dass eine Förderung im grossen Stil nicht möglich ist. Das NPZ Bern aber sieht er als den Ort, wo eine zielgerichtete Förderung funktionieren kann. Denn auch für einen qualitätsvollen und nicht auf den Leistungssport ausgerichteten Schulstall mit einem halben Dutzend vierbeinigen Lehrmeistern habe man dort offene Ohren. 

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