Aus “Kavallo” 11/24: Die Hufe trommeln im Viertakt über den Boden, die Mähnen flattern im Wind und immer wieder heisst es aufpassen, um die Vierbeiner am Ausbrechen zu hindern. 14 Reitgäste und acht Guides machen sich mit einer isländischen Pferdeherde auf den Weg nach Landmannalaugar, wo die bunten Berge und eine heisse Quelle zu finden sind.
Von Carola Leitner
Vor mir der Rücken meiner Schwester Sabine, die auf einem Braunfalben mit Aalstrich die Herde anführt. Ich folge ihr auf der Rappstute Rispa. Und hinter uns: etwa 60 freilaufende Islandpferde. Als sich der schmale Weg im leicht abschüssigen Gelände verliert und sich die Landschaft hinter den schwarzen Felsbrocken plötzlich ändert, heisst es aufpassen. Eine weite Ebene breitet sich vor uns und der hinter uns töltenden Herde aus, die das freie Gelände als Einladung zum Tempomachen versteht. Sabine hat den Auftrag in langsamem sowie gleichmässigem Tölt zu führen – ihre Stute scheint einen eingebauten Tempomat zu besitzen, denn die Geschwindigkeit ändert sich über eine lange Strecke kein bisschen. Immer wieder brechen ein paar der Tiere aus und versuchen Rispa und mich zu überholen. Ich lenke die Stute zur Seite, um den Pferden den Weg abzuschneiden. Rispas Hinterteil wirkt dabei blockierend, sodass unser Bremsmanöver gut funktioniert. Für die nächste halbe Minute ist es ruhig, bis es die Nächsten probieren. Immer wieder sehe ich mich um, um nur ja keines der zu nah aufschliessenden Pferde zu übersehen, denn sie nutzen geschickt jede Lücke.
Der Auftrag der Guides war eindeutig: nicht überholen lassen! Zwei davon reiten am Rand der Herde und sind so schnell zur Stelle, dass man sich nie sicher sein kann, wo sie sich gerade befinden. Die rothaarige Isabell, die mit ihren zwei dicken Zöpfen wie eine echte Wikingerin aussieht, aber eigentlich aus Deutschland kommt, schützt die linke Flanke. Kommt sie angesprengt, wissen die Pferde sofort: Jetzt gibt es Saures. Der Isländer Svenbjörn sieht auf der anderen Seite nach dem rechten. Er scheint mit seinem Reittier verwachsen zu sein – ob er dem Schecken Hilfen gibt, ist nicht zu erkennen. Mühelos wendet er das Tier und treibt ein versprengtes Pferd wieder zur Herde zurück. Es sieht so aus, als wüssten die beiden schon im Vorfeld, wo Gefahr droht … Rappen, Füchse, schmutzige Schimmel, Falben, Braune, Isabellen, ein hübscher Apfelschimmel – die Herde, die hinter uns im Zaum gehalten werden muss, verschmilzt mit der Landschaft. Und auch wir ReiterInnen fügen uns in die schwarze Lava-Umgebung ein, als würden wir dazugehören. So könnte es ewig weitergehen, denke ich.