Aus “Kavallo” 10/24: Ob auf Turnieren oder in heimischen Gefilden: Viele Pferde reagieren in unterschiedlichen Situationen oder bei der Konfrontation mit verschiedenen Objekten empfindlich, ablehnend, ängstlich oder sogar regelrecht phobisch. Das muss nicht sein! Gerade die Herbst- und Winterzeit eignen sich hervorragend dazu, panische Vierbeiner auf die kommende Turniersaison durch gezieltes und nachhaltig wirkendes Gelassenheitstraining effektiv vorzubereiten. Immerhin ist das Vertrauen zum Menschen und in dessen Entscheidungskompetenzen eine wesentliche Grundlage für ein stressfreies und damit ausgeglichenes Miteinander. Aber wie lernt das Fluchttier Pferd Gelassenheit und was braucht es dazu? Welche Fähigkeiten muss der Mensch mitbringen? Auf was gilt es explizit zu achten, damit die Trainingseinheiten ein tiefgreifendes und dauerhaftes Lernen ermöglichen?
Text: Susanne Kreuer, Bilder: Anna Luong Van
In vielen Ausbildungswegen kommt die Auseinandersetzung mit Schreckensobjekten, angstmachenden Situationen und auch unbekannten Geräuschen zu kurz. Nicht selten wird wie selbstverständlich von Pferden gefordert, dass sie ihre natürlichen Instinkte zugunsten unserer Vorstellungen zeitnah ablegen. Tatsächlich ist dies ein völlig unrealistischer Anspruch, den die Tiere nicht einfach umsetzen können. Sicherlich möchten viele Pferde ihren Reitern und Haltern gerne gefallen und sind auch bereit, sich sportlich weiterzuentwickeln, allerdings ist es unsere Aufgabe, ihnen unsere Welt näherzubringen. Dazu brauchen Pferde Bewältigungsstrategien, Zeit zum Lernen und zum Angstabbau. Aus der Sicht von Pferden verlangen wir vermutlich mitunter „Katastrophales“ von ihnen: Sie sollen in kleine, dunkle Anhänger gehen, sich an fremde Ort fahren lassen, dort unmittelbar „funktionieren“, Leistung bringen und sich in kürzester Zeit mit völlig fremden Eindrücken, Voraussetzungen und Gegebenheiten abfinden. Für die sensiblen Wesen, die sich erfolgreich seit Jahrtausenden voll und ganz auf ihre natürlichen Instinkte verlassen, eine ziemlich große Herausforderung. Was zunächst aussichtslos oder doch zumindest ziemlich anspruchsvoll klingt, ist es in der Umsetzung gar nicht, wenn das instinktive Lernverhalten von Pferden ausreichend Beachtung findet. Es ist erstaunlich, zu welchen Anpassungsleistungen die Tiere fähig sind, werden sie gesehen, verstanden und gefördert. Darum sollte der erste Blick der Pferdenatur selbst gelten.