Die sogenannten Cavalli della Madonna und der Marstall haben im Kloster Einsiedeln eine rund tausendjährige Tradition. Eine Stiftung zur Unterstützung des Einsiedlerpferdes fördert die verschiedenen Bemühungen, um diesen speziellen Schweizer Pferdeschlag ins nächste Jahrtausend zu retten.
Von Muriel Willi (Kavallo 07/23)
Bereits in der Gründungszeit des Benediktinerklosters Einsiedeln im Jahre 934 spielten Pferde für den Personen- und Gütertransport eine wichtige Rolle. Zur offiziellen Zuchtstätte konnte das Stift allerdings erst durch königlichen Segen werden. Es ist bald 1000 Jahre her, seit König Heinrich IV. dem Kloster Einsiedeln im Jahre 1064 gewährte, weltliche Personen, beispielsweise als Gestütsleiter, einzusetzen. Dank diesem Recht konnte sich das Stift schnell zum Pferdezentrum der Zentralschweiz entwickeln. Die geografische Lage unweit des Gotthardpasses sorgte dafür, dass die Einsiedlerpferde guten Absatz als Reit- oder Packpferde zur Überquerung der Alpen fanden. Die Cavalli della Madonna, benannt nach der Schwarzen Madonna, die in Einsiedeln als Gnadenbild verehrt wird, erlebten im Hochmittelalter eine erste Blütezeit und machten sich über die Schweizer Grenzen hinaus einen Namen. Denn auch die oberitalienische Kavallerie und Artillerie setzte auf die Streitrosse aus der Innerschweiz.Der Übergang in die Neuzeit tat der Erfolgsgeschichte der Einsiedlerpferde keinen Abbruch – ganz im Gegenteil. Im Jahre 1655 eröffnete Pater Joseph Reider ein erstes Zuchtbuch, das 71 Einsiedlerpferde mit Alter, Herkunft und Verwendung aufführt. Rund 100 Jahre später wurde der prächtige Marstall mit seinen Kreuzgewölben und Bogenfenstern fertiggestellt und bot den Klosterpferden eine würdige Unterkunft. Seinen Namen erhielt der Marstall übrigens vom Marschall, dem die Führung des Stalles und Gestütes oblag.
Geräumt bis auf den letzten Fohlenschwanz
Aus diesen Stallungen und aus dem gesamten Stift wurden die Einsiedlerpferde und -Mönche jedoch bald darauf unsanft vertrieben. Im Mai 1798 fielen die Franzosen unter General Schauenburg ins Kloster ein. Der Marstall wurde bis auf den «letzten Fohlenschwanz» leergeräumt, die Offiziere machten sich alle Pferde zu eigen.
Das Ende der Zuchtstätte bedeutete dieser Überfall jedoch nicht. Bereits 1801 kehrten die Mönche zurück, stellten die Stallungen in Stand und hielten schon bald wieder Pferde. 1840 wurde ein neues Zuchtbuch angelegt. Zu dieser Zeit war mit 150 Pferden der Höchstbestand im Marstall erreicht. Gezüchtet wurden noch immer Reit- und Saumpferde für die Berge. Um die Qualität der Schwyzer Pferde heben zu können, wurde damals ein englischer Beschäler importiert. Der Yorkshire Hengst Bracken war ein Glücksfall, vermochte er doch viele Exterieurfehler, die sich in den Bestand eingeschlichen hatten, zu beheben. Während der beiden Weltkriege waren vor allem Arbeitspferde gefragt. Nun schienen kräftige Freibergerhengste die idealen Vererber. Die Jurahengste taten ihre Dienste jedoch nur kurze Zeit, wie Pater Damian Buck 1932 festhielt: «Trotz der vermeintlich besseren Eidgenossen hielten sie [die Freibergerhengste] nicht das, was von ihnen prophezeit wurde, sie haben das Kloster bald wieder verlassen. Wer sich an die Zucht und die Arbeit des Halbblüters gewohnt ist, wird sich nie an einen Kaltblüter gewöhnen.» So war Ende der 1950er Jahre der Einsiedlerbestand wieder vollständig auf den Reittyp umgestellt. Damit die jungen Damen den Schlag von Pferden zur Verfügung hatten, die sie sich wünschten, um durchs Reiten schlank zu werden, wie Pater Albert Huber vermerkte, wurden die Einsiedlerstuten mit blutgeprägten Hengsten aus dem Eidgenössischen Gestüt in Avenches belegt.
Pferde auf Klosterweide; um 1970-1980. Foto: Stiftsarchiv Kloster Einsiedeln
Die Stuten als Leitlinien
Mal englische Hengste, dann Schwyzer, zur Abwechslung Freiberger und zu dann doch wieder Franzosen – die Geschichte zeigt, dass in der Einsiedlerzucht die Hengstseite schon seit jeher offen war. «Traditionellerweise war in Einsiedeln der Stutenbestand von grosser Bedeutung und kann deshalb lückenlos nachverfolgt werden. Die Hengstwahl ist auch heute völlig offen», sagt Esther Weiss, die Geschäftsführerin der Stiftung zur Förderung der Einsiedler Marstallzucht. Es gebe aber gerade in jüngster Zeit von Seiten der Einsiedler Pferdezuchtgenossenschaft Bestrebungen zu einer Fokussierung auf ein Zuchtziel für die Einsiedlerpferde, verbunden mit der Auswahl entsprechender Hengste. Bei den Stuten ist die Selektion eng gehalten: Nur die Nachkommen der Stuten, die im klösterlichen Zuchtbuch eingetragen sind und deren Abstammung somit über Generationen nachverfolgt werden kann, werden als original Einsiedler anerkannt. Es sind drei Stutenlinien, auf denen die Zucht der Cavalli della Madonna begründet: Die Klima-Linie, die Quarta-Linie und die Sella-Linie, jeweils benannt nach bedeutenden Stuten innerhalb der drei Linien.
Ein Einsiedler-Hengstfohlen von Casall und Baloudis de la Neuvevie aus der Quarta Linie, gezüchtet von Brigitte Favre und Thierry Froidevaux. Foto: Brigitte Favre
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Umfrage zum Thema Einsiedler Pferde
pd. Eine Arbeitsgruppe der Pferdezuchtgenossenschaft Einsiedeln führt eine Umfrage zum Thema Einsiedler Pferde durch. Die Umfrage läuft bis zum 20. August um Mitternacht.