Der isometrische Squat ist Versammlungstraining im Stehen. Völlig freiwillig lernt das Pferd, sein Gewicht auf die Hinterhand zu verlagern und seine Kernmuskulatur anzustrengen. Das Pferd wölbt den Rücken unter Anstrengung der Bauchmuskulatur auf. Es verkleinert seine Standfläche, verlagert sein Gewicht im Stehen nach hinten, senkt die Kruppe und beugt die Gelenke der Hinterhand. Der Hals wird aufgerichtet und das Genick gewölbt getragen. Der nachfolgende Auszug aus dem Buch «Mach mich stark! Mit dem Klicker bis zu hohen Schule» erklärt, wie einem Pferd der Squat beigebracht wird.
Auszug aus dem Buch «Mach mich stark! Mit dem Clicker bis zur hohen Schule»
Der Squat ist die isometrische Übung4 des Okapi- Trainings® und Kernelement aller Versammlungsarbeit. Er ist vergleichbar mit einem Menschen, der in die Kniebeuge geht und in dieser Position verharrt. Er ist ein fantastisches Werkzeug, mit dem wir eine stabile Lastaufnahme der Hinterhand erzeugen, ohne erst auf schwierige Lektionen wie die Piaffe warten zu müssen. Wir können heute anfangen! Durch den Squat können wir unserem Pferd sagen: «Und jetzt bitte Last auf die Hinterhand! Spann den Rücken aufs Äusserste an! Wölb den Hals. Spann die Bauchmuskeln. Und jetzt mach dich vorne gross!»
Perfekt fürs Rehatraining
Der Squat ist zudem ein hocheffektives Training für rekonvaleszente Pferde, die nur Schritt gehen dürfen. Sprich mit deinem Tierarzt ab, ab wann du den Squat in das Rehatraining einbauen kannst. Die Übung macht Pferden riesigen Spass. Sie «squatten» gern, weil sie spüren, wie die Übung sie kräftigt. Ihr könnt das Training heute beginnen. Jetzt gleich. Das Konzept ist alt: Eine ähnliche Lektion im Stehen wurde bereits von Altmeister François Baucher (1796–1873) praktiziert, der das Pferd im Stehen versammelte, auch mit Reiter. Einige Ausbilder der Neuzeit zeigen Versammlung im Stehen unter unterschiedlichen Namen. Aus dem Squat lassen sich Folgelektionen wie der Schulhalt oder die Levade formen. Im Vorfeld zum Erlernen der Piaffe ist ein halbes Jahr lang Squatten eine gute Idee, um Hinterhand, Bauch und Rücken zu kräftigen.
In Teilschritten zum Ziel
Voraussetzung für den Squat ist das ruhige Stehen. Klappt das noch nicht, übst du dieses zuerst. Den Squat kann man auf unterschiedlichem Wege lernen. Wir zeigen dir die Teilschritte in verschiedenen Varianten. Probiere aus, was deinem Pferd am besten gefällt. Wechseln kannst du jederzeit. Der Squat kann sogar ganz ohne Hilfengebung durch Free Shaping erreicht werden, Pferd und Trainer sind keine Grenzen gesetzt. Voraussetzung ist die Bereitschaft zum Entlanghangeln an winzigen Teilschritten. Kaum eine andere Übung verläuft derart häppchenweise wie der Squat.
Wenn du den Squat trainierst, tu es bitte in gesonderten Sessions, um Verwechslungen mit anderen Übungen zu vermeiden. Besonders das Rückwärtsgehen sollte nicht zeitgleich trainiert werden, da es für den Squat wichtig ist, fest an einer Stelle zu stehen. Um Erfolge beim Squat zu sehen, sind mindestens drei kurze Übungseinheiten pro Woche nötig, z. B. jeweils vor der üblichen Arbeit. Dein Pferd muss seine Muskulatur in Ruhe aufbauen. Das Erlernen des Bewegungsablaufs ist aber schon innerhalb eines Monats möglich. Seid ihr bereit für diese spannende und besondere Lektion? Dann los! Bevor du startest, solltest du ruhiges, festes Stehen üben. Ist dein Pferd in dieser Übung noch nicht sicher, hole sie nach, bis ein bombenfestes Stehen auf Stimmkommando sicher funktioniert. Ohne festes Stehen kein Squat, investiere hierfür einige Tage im Vorfeld, es wird sich auszahlen.
Gewicht verlagern an der Wand
Die Wand wird zum Target, sodass das Pferd das Zurückwiegen lernt, indem es mit dem Hinterteil die Wand berührt. Der Vorteil: Das Pferd lernt frühzeitig das Kippen des Beckens. Gewöhne zuerst das Pferd daran, mit geringem Abstand in einem Winkel von 90 Grad zur Wand oder einem Zaun zu stehen. Gehe immer wieder zur gewählten Stelle und bestärke das Stehen. Für das Pferd ist eine Kontaktaufnahme mit dem Hinterteil an einer Wand ungewohnt. Geh deshalb geduldig vor und halte zunächst das Pferd in unterschiedlichen Winkeln zur Wand an. Wecke Begeisterung durch das Verabreichen von Jackpots, wenn dein Pferd mit dem Hintern der Wand etwas näherkommt. Das kann heute funktionieren oder morgen – einfach weiterüben.
Wenn das Pferd dann in einem Winkel von 90 Grad und dicht zur Wand stehen kann, motiviere es, sich etwas nach hinten zu lehnen. Du kannst mit der Hand die Brustmuskulatur berühren, am Halfter zupfen, mit den Fingern auf die Brust trommeln, dich vor das Pferd stellen und dich selbst in Richtung Pferd neigen, dich neben das Pferd stellen und dich selbst in Richtung Wand neigen oder etwas anderes versuchen. Mach, was auch immer dir geeignet erscheint, eine Rückwärtstendenz zu erzeugen. Bestärke sofort bei ersten Anzeichen des Zurücklehnens. Berührt das Pferd die Wand, gib begeistert einen Jackpot und gehe mit deinem Pferd eine Runde herum. Versucht es wieder.
Wenn das Pferd gezielt mit dem Hinterteil die Wand berührt oder bereits das Becken kippt und die Lende wölbt: Hervorragend! Siehst du zu Beginn kein kippendes Becken, ist das nicht schlimm. Das kommt mit der Zeit. Wiederhole erst das Lehnen an die Wand viele Tage gründlich. Weicht das Pferd beim Zurücklehnen immer zur Seite, dann traut es sich noch nicht, die Wand zu kontaktieren. Einfach wieder ruhiges Stehen dicht an der Wand bestärken, dann wieder versuchen. Wenn dein Pferd sich noch nicht auf das Zurückwiegen konzentrieren kann, zur Seite oder nach vorn tritt, trainiere erst wieder gründlich ruhiges Stehen. Falls es im Stehen scharrt, ignoriere dies und bestärke erst das Stehen auf vier Füssen. Wenn dein Pferd schief steht, ignoriere das. Es ist für den Anfang völlig egal, wie die Füsse stehen. Nimmt es den Kopf hoch, runter oder zu Seite – egal! Die Kopfhaltung wird später wichtig. Daher lassen wir den Kopf völlig in Ruhe und ziehen nicht am Halfter. Falls dein Pferd in der Halle oder auf dem Platz keine Ruhe für den Squat findet, übt ihr den ersten Schritt in der Box. Hier gibt es wahrscheinlich auch eine gerade Wand.
Freies Zurücklehnen an der Wand
Wenn sich das Pferd sicher und mit Begeisterung an die Wand lehnt, ist es Zeit, die Wand hinter euch zu lassen. Geh an einem neuen Trainingstag an die übliche Stelle und parke dein Pferd ein Stückchen weiter weg von der Wand. Jetzt konzentriere dich gut: Lehnt sich dein Pferd minimal zurück, clickst du sofort. Klappt es noch nicht, gehe geistig einen Schritt zurück und wiederhole erst wieder das Berühren der Wand. Dann positioniert ihr euch in einer geringen Entfernung von der Wand und versucht es erneut. Wenn dein Pferd einen Schritt nach hinten tritt, war der Abstand zur Wand zu gross oder dein Clicken nicht schnell genug.
Rangiere etwas und probiere kleinere Abstände aus. Clicke schnell, in der Sekunde, in der das Pferd das Gewicht verlagert. Übe gründlich und oft. Wie weit die Beine dabei auseinander stehen, ist anfangs egal. Steht das Pferd schief, macht das nichts. Lass auch die Kopfposition komplett ausser Acht. Wiederhole mehrere Tage das Zurücklehnen, in egal welcher Position von Füssen und Kopf, es ist nur wichtig, dass sich die Hufe dabei nicht bewegen. Die meisten Pferde merken schnell, dass der Mensch begeistert bestärkt, wenn sie sich besonders stark zurücklehnen. Wiederhole gründlich über die nächsten Tage und Wochen. Einige Pferde stellen die Beine etwas auseinander, damit sie sich weiter zurücklehnen können. Die Standfläche wird dadurch grösser. Zwar wünschen wir uns langfristig eine kleinere Standfläche, vom Pferd ist diese Interpretation aber eigentlich clever, da es davon ausgeht, dass es sich hierdurch stärker nach hinten lehnen kann. In so einem Fall kann einfach zum nächsten Schritt übergegangen werden.
Signal setzen
Such dir ein Signal für den Squat aus, welches du von jetzt an immer benutzt. Es kann ein Laut sein oder ein Handzeichen. Jupiter lernte das Zurücklehnen anhand eines leichten Drückens an der Brust. Nach einer Weile wurde das Zeichen auf das blosse Vor-die-Brust-Halten der Hand reduziert. Fuchsi lernte das Zurücklehnen mit Cordeo. Früh konnte das Zeichen auf das Verwahren der Hand am Widerrist reduziert werden, wo vorher an der Cordeo gezupft wurde. Übrig blieb ein leichtes Trommeln der Finger auf dem Rücken. Dann war es egal, an welcher Körperstelle das Trommeln erfolgte, sodass sie nun auch squattet, wenn man seitlich steht. Al-borak lernte das Zurücklehnen dadurch, dass Mareike sich zu ihm hinlehnte. Das Zeichen wurde reduziert auf ein Hinschauen auf die Kruppe, inzwischen squattet Al-borak auf Blickzeichen.
Standfläche verkleinern
Nun wollen wir die Standfläche verkleinern. Diese Bewegung ist körperlich anstrengend für das Pferd. Verlange anfangs nur ein geringes Zusammenstellen der Beine. Übe gründlich und geduldig, bis das Pferd verlässlich auf geringgradig verkleinerter Standfläche stehen kann. Dies kann auf drei Arten geschehen:
Verkleinern der Standfläche durch aktives Untertreten
Das Pferd nähert seine Hinterbeine den Vorderbeinen an, indem es die Hinterbeine abwechselnd anhebt und etwas weiter vorn wieder abstellt. Der Vorteil ist, dass wir das genaue Ansteuern jedes einzelnen Beins dabei üben können. Du findest diesen Teilschritt im Buchkapitel «Untertreten».
Verkleinern der Standfläche auf Teppichtarget
Du trainierst dein Pferd darauf, auf einem Stück Teppich mit geringgradig zusammengestellten Beinen zu stehen. Der Vorteil ist, dass das Pferd unter den Hufen fühlt, ob es nun richtig steht. Auf dem Teppich kann man den Squat bis zur Vollendung trainieren. Ist das Prinzip verstanden, steht das Pferd darauf wie festgewachsen, eine sehr attraktive Methode.
Verkleinern der Standfläche durch Rangieren
Führe das Pferd herum, bis es zufällig in einer Position landet, in der die Beine etwas dichter zusammenstehen als vorher. Bestärke jetzt das Stillstehen. Das Pferd erfühlt mit der Zeit, welche Position von ihm erwartet wird.
Stehen bleiben und Kopf heben
Wenn das Pferd nun mit verkürztem Rahmen steht, soll es diese Position beibehalten. Gib dein Signal zum Stehen. Womöglich senkt dein Pferd zum Untertreten den Kopf. Führe danach am Halfter den Pferdekopf nach oben, sag dein Stehkommando, und bestärke sofort, wenn das Pferd auf verkleinerter Fläche stehen bleibt. Durch das Heben des Kopfes verlagert sich das Gewicht automatisch verstärkt auf die Hinterhand. Das ist etwas anstrengend, daher verlangen wir anfangs nur ein bisschen, und nicht so viel, dass ein Fuss nach hinten tritt. Wenn das Pferd immer wieder einen Schritt nach hinten macht, also nicht im zusammengestellten Rahmen bleibt, ist das zunächst ganz normal.
Das Verlagern des Gewichts nach hinten auf kleiner Standfläche kostet Kraft, sodass das Pferd am Anfang einen Ausgleich sucht. Lass es nur wenig untertreten und heb den Pferdekopf weniger stark an. Click! Nach und nach verlangst du mehr. Wenn dein Pferd die Übung augenscheinlich versteht, aber einfach nicht auf kleinerer Fläche stehen kann, wenn der Kopf hochkommt, ist die Standfläche vielleicht für den Anfang zu klein. Verlange weniger. Wenn das Pferd bei diesem Trainingsschritt zappelt, übe ruhiges Stehen wieder so lange, bis das Signal verlässlich sitzt. Setz Jackpots für kurze Reprisen des Stehens auf vier Füssen ein.
Verlängere nach und nach auf zwei Sekunden, dann auf drei. Vergiss nicht, zum Auflösen des Stehens dein Losgehkommando zu sagen, sonst interpretiert dein Pferd, dass es frei entscheiden kann, wann es die Übung verlassen kann. Wiederhole das Stehen auf kleinerer Fläche mit erhobenem Kopf gründlich. Verlange erst wenige Sekunden, dann etwas mehr. Ihr seid auf bestem Wege zum perfekten Squat.
Verkleinerte Standfläche plus Gewicht verlagern
Damit das klappt, muss das Pferd Rücken, Bauch und Hinterhand anspannen, und das ist anstrengend. Achtung: Sei im Voraus darauf gefasst, bereits bei einem sehr geringen Zurückwiegen zu clicken, wenn dein Pferd mit verkürztem Rahmen einen Versuch macht, zu squatten. Gib aus dem verkürzten Stand dein Signal zum Squat. Bereits wenn das Pferd die Bewegung beginnt, bestärkst du. Lobe überschwänglich und mit Jackpots. Wiederhole ein paar Mal. Morgen versucht ihr es wieder. Wenn das Pferd mit erhobenem Kopf auf kleiner Fläche stehen kann, aber beim Zurückwiegen einen Schritt zurück macht, clickst du womöglich zu langsam.
Frag an, ob dein Pferd die Standfläche nur ein wenig verkürzt, lass es den Kopf anheben, gib das Signal zum Stehen, Jackpot. Jetzt forderst du es erneut zum Squat auf. Clicke sofort, wenn dein Pferd sich ein bisschen zurückwiegt. Falls dein Pferd alles richtig macht, aber nach dem Click den Fuss doch noch nach hinten setzt: kein Problem. Übe heute nur noch einige Male das feste Stehen auf vier Füssen ohne Zurückwiegen. Mach für heute Schluss. Platziere morgen dein Pferd wieder nahe an einem Zaun oder einer Stange und versuche es von vorne. Langfristig wollen wir möglichst wandunabhängig werden. Übe einfach weiter. Die Zeit arbeitet für dich: Das Pferd wird jeden eurer Trainingstage gründlich überschlafen und am nächsten Tag schon besser sein.
Beugen des Genicks
Dies ist der letzte Feinschliff. Es kommt vor, dass das Pferd vor lauter Schwung den Hals in die falsche Richtung biegt. Macht nix, das trainieren wir um. Wie du das Genickbeugen vorbereitest, findest du im Buchkapitel «Das Genick wölben». Wiederhole einige Male das Genickbeugen am «normal» stehenden Pferd. Wenn es danach zu squatten beginnt, fragst du zeitgleich das Genickbeugen an. Bei einer Tendenz (!) in die richtige Richtung bestärkst du sofort. Sollte es nicht klappen, übst du das Beugen des Genicks erneut separat, bevor du fortfährst. Wiederhole gründlich. Hier ist Timing gefragt: Clicke sofort, wenn der Squat beginnt und das Pferd das erste kleine Nicken zeigt.
In den kommenden Wochen übt ihr die einzelnen Elemente des Squats immer wieder, bis deinem Pferd das Verlagern auf kleiner Standfläche mit gebeugtem Genick zunehmend leichter fällt. Pferde mit kurzem Rücken vollziehen den vollständigen Squat erfahrungsgemäss ein bisschen schneller, allerdings sind es besonders Pferde mit langen oder schwachen Rücken, die von der Übung profitieren. Dein Pferd wird nach und nach geübter im Squat und bildet Muskulatur, die längere Haltekraft ermöglicht. Mit der Zeit zeigt das Pferd das Beugen der Hanken und das Wölben des Rückens vermehrt, bei verstärkter Anspannung der Bauchmuskulatur. Wendet das Pferd besonders viel Muskelkraft auf, bestärke mit Jackpots.
Mach mich stark! Mit dem Clicker bis zur hohen Schule
Dieses Buch zeigt, wie das genau geht: vom ersten Führen und Auftrensen über neuartige Körperübungen wie den isometrischen Squat bis hin zur Hohen Schule inklusive Schulhalt, Levade und schliesslich einer freien, zaumlosen Piaffe. Step-by-step und anhand von Fotoserien zeigt Dr. Dana Rindermann, wie jeder Teilschritt ganz einfach zu erreichen ist und wie man Stolpersteine von vornherein vermeidet. Unterstützt wird sie von „Fuchsi“, einer Stute, die extra für dieses Buchprojekt ausgebildet wurde und ihren Lernverlauf zeigt – vom ersten Click bis zur letzten Seite. „Mach mich stark! Mit dem Clicker bis zur hohen Schule“, Dr. Dana Rindermann, ca. 272 Seiten, Format 17 x 24, durchgehend farbige Abbildungen, ISBN: 978-3-8404-1091-8, ab 28 Euro/29 Franken.
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