Ich habe ganz klassisch sämtliche Stufen des Schweizerischen Pferdesports durchlaufen und bin aktuell im Nationalkader der Dressur der Schweiz. Wie es dazu kam, möchte ich euch gerne hier aufzeigen.
Von Chiara Savaris
Meine Mutter, damals selbst aktive Reiterin, ging mit uns schon im Vorschulalter mit den Ponys des Zoos laufen. Wir durften auch an Reitlagern teilnehmen und wagten uns schon bald an Gymkhanas. Die Resultate spielten dabei keine Rolle, der Spass stand im Vordergrund. Die Ponys genossen den Ausflug und wir den anschliessenden Gabentisch.
Sitzen lernen à la Pony
Nachdem ich einige Male vom Rücken des Pferdes meiner Mutter purzelte, konnte meine Mutter meinen Vater überzeugen, dass ein Pony für mich die bessere Variante war. So verbrachte ich fortan jede freie Minute im Stall bei meinem Schimmelpony. Mein Pony war im Umgang sehr geduldig und achtsam mit mir. Ich glaube, er genoss es einfach, im Mittelpunkt zu stehen. Ihm habe ich wohl zu verdanken, dass ich sattelfest bin. Denn er hat über Jahre immer wieder phasenweise so lange gebuckelt, bis ich am Boden lag. Am Ende unserer gemeinsamen Reitzeit musste er aber doch erkennen, dass er mich so schnell nicht los wird. Ich hingegen musste feststellen, dass Springen nicht sein Ding war. Trotz allen Schmerzen und einigen Arztbesuchen habe ich ihm immer vergeben. Möörli war definitiv meine erste grosse Liebe.
Meine zweite war Duke, ein ehemaliges Military-Pferd und berühmt-berüchtigt für seine Eskapaden. Er sollte verkauft werden, kam aber zwei Mal wieder retour. Das war dann meine Chance, um mich bei der Besitzerin und meiner damaligen Trainerin zu erkundigen, ob ich ihn nicht reiten dürfe. Durfte ich. Mehr noch, ich durfte ihn später übernehmen. Duke hat mich sehr viel gelehrt. Er trug mich über die Hindernisse, wir bestritten so manches Turnier und mit ihm schaffte ich die Aufnahme in die Förderstufe des ZKV bereits schon im Bereich der Dressur. Aber der Reihe nach.
Unterricht bei Beatrice Gambirasio und Bruno Kalt
Meiner Mutter war es wichtig, dass wir, meine Schwester Christina reitet nämlich auch, uns wöchentlich unterrichten liessen. Bis zum Niveau des Brevets und noch etwas darüber hinaus unterrichtete uns Beatrice Gambirasio. Sie war es, die mir zeigte, wie ich überhaupt ein Pferd an den Zügel stellen konnte. Auch über die ersten Kreuzchen half sie mir geduldig. Sie begleitete mich auch an die ersten Springturniere in der Region. Dies finde ich übrigens sehr wichtig: eine Bezugsperson an Turnieren an meiner Seite zu wissen, die dann alles regelt, wenn ich etwas in der Schwebe hänge.
Bruno Kalt aus dem nahen Thalheim übernahm alsbald meine weitere Ausbildung im Springen. Das war eine strenge, fördernde und lustige Zeit! Im Wintertraining hiess es dann auch schon mal, die Gymnastiklinie mit hinter dem Rücken verschränkten Armen zu springen. Auch das Lizenzprogramm baute er schon früh in unser Training ein. Stück für Stück, sodass wir dies gar nicht richtig realisierten. Bruno, ganz in seinem Element, stellte uns auch immer wieder eine theoretische Frage, meistens am Schluss der Lektion, die dann durch ein rasches Zuwerfen eines Riccola Kräuterzuckers belohnt wurde. Natürlich galt es, dieses aufzufangen, denn geübt wurde, bis das Täfeli geangelt werden konnte!
Dressur aus Sorge zum Pferd
Seit einigen Monaten haben wir unsere aktiven Pferde bei Laura und Simone Aschwanden in Thalheim eingestallt und ich komme wieder in den Genuss der Riccola-Täfelis! Und dies führt mich in Gedanken immer wieder an vergangene Stunden bei Bruno zurück. Unvergessliche Momente, in welchen wir viel lernen durften und noch mehr Spass hatten. Meine Entscheidung, mich mehr der Dressur hinzuwenden, kam, als Duke sich mit den Vorderbeinen in einem Unterbau verhedderte. Ich war so in Sorge um ihn, dass ich danach beschloss, mich vermehrt mit den Dressurlektionen zu befassen.
Das war dann auch in der Zeit, in welcher meine Mutter sich ein neues Pferd kaufte. Eine grosse Stute aus Schweizer Zucht mit Oldenburger Abstammung hatte es uns beiden angetan. Eine nicht ganz einfach zu händelnde Stute, wie sich später herausstellte. Zumindest für uns beide. In der Zeit der Förderstufe des ZKV freundete ich mich mit Anna-Paula Burger an. Und so fuhren wir immer wieder nach Bern zu ihrer Mutter, der begnadeten Dressurreiterin und -ausbilderin Nicola Hayser.
Mit Nicola schaffte ich dann auch die Lizenz im Dressurreiten. Leider, für mich, entschied sie sich dann, wieder nach Norddeutschland zurückzukehren. Mit Anna-Paula, was mir sehr wehtat: Uns verband doch eine schöne Freundschaft, die sich nicht nur auf das Thema Reiten beschränkte. Meine Mutter entschied sich dann, die frühere Ausbildnerin von unserer doch sehr dominanten Dressurstute Ria, Dorothea Cieslak, zu kontaktieren.
Zweiter Frühling dank Dressur
Ausgerüstet mit der Lizenz, konnte ich in die Regionalstufe des ZKVs aufrücken und mich in der Stufe L mit Duke bestätigen. Duke, ebenfalls aus Schweizer Zucht und ebenfalls mit Oldenburger Abstammung, blühte nochmals auf. Er, ein ehemaliges Millitarypferd, trumpfte gross auf. Und wie er sich noch im Alter von 18 Jahren bewegen konnte! Schon etwas steifer in den Gelenken, brauchte er sehr wohl seine Zeit, bis er geschmeidig lief. Aber dann konnte er sehr wohl auch noch mit den Jüngeren mithalten.
Sein Wille war unglaublich. So konnte er auch schon mal auf dem Abreitplatz bocken, passte ihm ein Pferd nicht, dass sich zu dominant präsentierte. Duke war unser Polizist, immer darauf bedacht, dass alles korrekt lief, sonst wurde es mit Kopfschlagen kommentiert. Er liebte die Ponystute meiner Schwester. Ging sie auf Turnier ohne ihn, war das Drama vorprogrammiert. Wir mussten ihn oft austricksen, um seine Nerven in Schach halten zu können. Und es kam auch schon mal vor, dass er uns ausbüxte und über das Turniergelände galoppierte.
Ein Pensionär und zwei Neuzugänge
Wie gesagt: Er hatte seinen Willen. Zu dieser Zeit fand ich es manchmal anstrengend, heute sind es gerade diese Momente, die mich zum Schmunzeln bringen. Good old Duke! Mit Duke durfte ich mein erstes M22 reiten. Das letzte Turnier der Saison. Uns war dann schon klar, dass es langsam an der Zeit war, ihn zu pensionieren. Aber mein Herz hing immer noch so fest an ihm und das Pferd meiner Mutter war für mich einfach noch zu fortgeschritten. Wohl während der gemeinsamen Paddockzeit mit unserer Ponystute verletzte sich Duke. Griffelbeinbruch, was das Ende seiner Laufbahn bedeutete.
Nicht aber unser Ende. Das abgebrochene Stück Griffelbein wurde in der Klinik in Niederlenz entfernt und Duke konnte fortan die Zeit mit Ausreiten geniessen. Dass ich dann aber begann, unsere Stute Ria vermehrt zu reiten, dies goutierte er überhaupt nicht. Er war ja schliesslich die Nummer 1 in meinem Herzen. Als dann Aragorn in den Stall einzog, war er für die erste Zeit überhaupt nicht begeistert. Ich gab mir aber trotzdem die grösste Mühe, ihm möglichst viel Aufmerksamkeit zu schenken. Ein halbes Jahr später haben wir uns entschieden, ihm ein schönes Rentnerleben zu ermöglichen. Aragorn ist, wie das erste Pferd meiner Mutter, ein Trakehner. Mit seinen Kulleraugen und seinem freundlichen Wesen schleicht er sich immer in das Herz jedes Menschen.
Herausforderung Sport und Ausbildung
Im Nationalkader verbleibt neben Schule und Reiten nicht viel Zeit. Ich besuche aktuell das dritte Jahr der Wirtschaftsmittelschule in Baden. Ich schliesse im Juni dieses Jahr die Prüfungen der kaufmännischen Schule ab und werde im August in ein einjähriges Praktikum übertreten. Das Ausbildungskonzept der Schule ist sehr interessant und vielfältig: So war zu Beginn des zweiten Lehrjahres ein einmonatiger Arbeitseinsatz im Welschland Pflicht. Natürlich verbrachte ich diesen in einem Reitbetrieb. Ich war überglücklich, Aragorn an meiner Seite zu haben. Heimweh plagte mich während der ersten zwei Wochen furchtbar und Aragorn half mir über manch schwere Stunde hinweg.
Im dritten Jahr stand ein gleichlanger Ausbildungslehrgang in England auf dem Plan, infolge Corona verbrachte ich diesen online zu Hause. Ebenfalls im zweiten Jahr mussten wir in der Schule, in Gruppen eingeteilt, ein Miniunternehmen gründen und für einige Monate ein Produkt vermarkten. Ehrgeizig wie ich bin, bewarb ich mich als CEO und durfte unsere Gruppe für einige Monate in dieser leitenden Position führen. Meine SchulkollegInnen zu motivieren und zu leiten, dies stellte ich mir definitiv einfacher vor. Die Tätigkeit als CEO brachte mich einige Male an meine Grenzen.
Nun freue ich mich, bald meine Abschlussprüfungen in den wirtschaftlichen Fächer ablegen zu können. Die externen Sprachexamen habe ich bereits erfolgreich bestanden. Rückblickend muss ich sagen, waren diese drei Jahre für mich sehr anstrengend. Dass ich in beiden Bereichen brillieren will, kostet mich einiges an Kraft und Energie. Ich wünschte mir, hätte ich mir das eine oder andere Mal mehr gegönnt, mich zurücklehnen zu können. Aber nun freue ich mich, bald in die Arbeitswelt übertreten zu können. Und hoffentlich wieder aktiver Turniere bestreiten zu können. Ich habe mich nämlich entschieden, zur Zeit der Abschlussprüfungen keine Turniere zu bestreiten.
Wenn ich zurückschaue, kann ich sagen, hatte ich immer Glück mit meinen Trainern. Ich habe jedem ein Stück meines reiterlichen Könnens zu verdanken. Jeder hat mich fördernd unterstützt. Jeder war mir sehr wichtig. Jeder hat mich als Mensch wie als Reiter weitergebracht. Und ich sehe in jedem einen Wegbegleiter. Bei Birgit Wienzek-Pläge, ihrem Mann Christian Pläge und ihrem ganzen Team fühle ich mich bestens betreut und aufgehoben. Ich freue mich sehr auf die weiteren Schritte.