Auf dem Ponyhof Schwarzenberg in Gontenschwil wurden nach 35 Jahren die Zügel weitergegeben: Die bisherige Betriebsleiterin Doris Unseld (64) legt das Zepter des weit über die Kantonsgrenzen hinaus bekannten (Therapie-) Reiterhofs in neue Hände. Anfang Januar übernimmt Reitlehrerin Annabel Gloor (29) die Geschicke auf dem über 250 Jahre alten Hof.
pd. Die ausgebildete Heilpädagogin und Erwachsenenbildnerin Doris Unseld weiss, dass Nachfolgeregelungen auch bei gut funktionierenden Betrieben alles andere als einfach sind. Umso dankbarer ist sie um die nun für den Ponyhof Schwarzenberg gefundene „fast familieninterne“ Lösung: „Ich bin sehr glücklich und überzeugt, dass ich mit meiner Nichte Annabel Gloor die richtige Nachfolgerin gefunden habe und dass so der Fortbestand meines mit viel Herzblut aufgebauten Lebenswerks sichergestellt werden kann. Sie hat sich seit ihrer Kindheit für den Ponyhof interessiert, sämtliche Ausbildungen auf diese zukünftige Aufgabe ausgelegt und sich in den vergangenen 12 Monaten bereits in das operative Geschäft und ihre neue Aufgabe eingearbeitet.“
Der Betrieb soll im Grossen und Ganzen so wie bisher organisiert bleiben. Während die 20 Ponys von Annabel Gloor übernommen werden, bleiben Liegenschaften und Reithalle – mindestens vorläufig – im Besitz von Doris Unseld. „Und sollte Hilfe oder Unterstützung nötig sein, werde ich natürlich da sein und helfen können, denn ich wohne vorläufig weiterhin auf dem Ponyhof.“
Begegnungsstätte für Mensch, Tier und Natur
„Besser geht’s nicht“, meint dazu „Gottikind“ Annabel Gloor. Nun gehe ein Kindheitstraum in Erfüllung. „Es ist Ehre und Auftrag zugleich, meine Visionen und die Leidenschaft für Tiere und Menschen zu verbinden und die Umsetzung zu meinem neuen Beruf zu machen.“ Die Sozialarbeiterin und Vereinstrainerin freut sich über das Vertrauen, das ihr Doris Unseld entgegenbringt und steht voll und ganz hinter den bisher auf dem Ponyhof gültigen und von Doris Unseld initiierten Leitideen.
Der Reiterhof soll wie bis anhin ein Ort der Begegnung zwischen Menschen mit und ohne Beeinträchtigung sein. Die Ponys erfüllen dabei die dankbare Scharnierfunktion um gemeinsam Grenzen zu verschieben. Im Zentrum steht dabei stets der Respekt und die Achtsamkeit Mensch und Tieren gegenüber. Annabel Gloor weiss: „Wir können Grenzen nicht aufheben, aber gegenseitig Verständnis entwickeln und Verantwortung füreinander übernehmen. So lernen Behinderte und Nichtbehinderte sich zu verstehen und aufeinander Rücksicht zu nehmen. Jugendliche können ihre Sozialkompetenz erweitern und ein „realistisches Menschenbild“ entwickeln.“
In diesem Licht unvergessen und ein besonderer Höhepunkt mit viel Strahlkraft bleibt die Teilnahme an der Aktion „Jeder Rappen zählt“ 2011. Über 60 Kinder und Jugendliche, Behinderte und Nichtbehinderte vom Aargauer Ponyhof, wanderten mit 20 Ponys von Gontenschwil nach Luzern. Sie sammelten dabei 14000 Franken für Frauen in Not und wurden danach in der Sendung „Happy Day“ von TV SRF1 dafür geehrt. „Unvergessen und Sinnbild für unsere Lebenshaltung“, sagen Doris Unseld und Annabel Gloor rückblickend und übereinstimmend.
„Alles Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“
Auf dem Ponyhof Schwarzenberg wird weiterhin der pädagogische Reitbetrieb im Zentrum stehen. Rund ein Drittel der Reitstunden absolvieren gesunde Kinder im Alter zwischen 5 und 17 Jahren. Sie kommen vorwiegend aus den Kantonen Aargau, Solothurn, Zürich, Bern und Basel sowie aus der Zentralschweiz. Etwas gleich viele Reitstunden absolvieren Kinder und Jugendliche in Reitferien. Der Rest des Reitunterrichts ist Teil von Reittherapien und Ponyhoflagern von Sonderschulklassen mit Kindern mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen. Auch an der Arbeit des Unterstützungsvereins, der sich an ungedeckten Kurs- und Lagerkosten für behinderte Kinder beteiligt, ändert sich nichts. Wie bis anhin werden auch in Zukunft zwei betreute Arbeitsplätze, sechs Ausbildungsplätze für IV-berechtigte Anlehren als Pferdewart oder Pferdewartin und ein Kriseninterventionsplatz für Notfälle angeboten.
Dass die vergangenen 35 Ponyhof-Jahre für die Verantwortlichen kein gemütlicher Ausritt waren beweist ein Blick in die bewegte Geschichte des Reiterhofs. 1986 hat die noch junge Heilpädagogin Doris Unseld den damals kleinen Hof mit vielen Visionen von ihren Eltern übernommen. Schon fünf Jahre später konnte die Reithalle gebaut und noch einmal fünf Jahre später die ganze Liegenschaft gekauft werden. Es folgten Renovationen, Umbauten und organisatorische Anpassungen, welche bald auch auf die Neuorganisation als Ausbildungsbetrieb für Pferdeberufe und Arbeitsort für betreute Arbeitskräfte möglich machte. „So ist es uns gelungen, bei vielen Jugendlichen mit Beeinträchtigungen ein von den IV-Stellen nicht erwartetes Entwicklungspotential auszuschöpfen“, schaut Doris Unseld bewegt auf die letzten Jahre zurück. „Wir konnten fast alle ausgebildeten Jugendlichen im ersten Arbeitsmarkt unterbringen. Und daran solle sich auch in Zukunft nichts ändern. „Wir hoffen ganz fest, dass die nächste Gemeindeversammlung die im Rahmen der Nutzungsplan-Revision geplante Schaffung einer Spezialzone für den therapeutischen Reitbetrieb annehmen wird. Damit wären die Voraussetzungen geschaffen, damit ab 2023 mit einer Betriebsleiterwohnung, neuen Zimmern für betreute Gäste und mit einem neuen Ponystall die Zukunft längerfristig angepackt und gestaltet werden kann.