Dossier: 6/19

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Aspekte zu «Pferd und Umwelt» gehören zweifels­ohne zu den wichtigsten Themen, die uns Pferdeleute zurzeit beschäftigen. Auch wir müssen hier in allen Belangen wie Zucht, Haltung und Nutzung Verantwortung übernehmen.
Schon bei der Einführung zur diesjährigen Netzwerktagung Pferdeforschung Schweiz weckte Ruedi von Niederhäusern das Interesse an den Umweltproblemen, die mit Präsentationen zu Umweltsünden und Möglichkeiten des Klimaschutzes verschiedentlich zur Sprache kamen. Der hohe Standard der wissenschaftlichen Beiträge zeigte sich gleich im Zucht-Block. Der «Zuchtpreis» ging an Jan Henkel vom Institut für Genetik der Universität Bern, der sich mit dem erhöhten Taubheitsrisiko bei weissgescheckten Pferden beschäftigt hatte. Seine Arbeit betraf eine American-Paint-Horse-Familie, in der sechs der acht gescheckten Pferde taub waren. Dabei wurde eine Mutation (Deletion) des MITF-Gens entdeckt, was nun ermöglicht, genaue genetische Tests bei gescheckten Pferden vorzunehmen.
Genetik als beste Prävention
Der beste Vortrag, von Ella Nina Novotny von der Vetsuisse Fakultät Bern, informierte über die grossartigen heutigen Möglichkeiten der Diagnostik beim Sommerekzem, eine allergische Reaktion auf Gnitzenstiche, die bei Pferden aller Rassen auftreten kann. Dabei kennt man über 20 Mücken-Antigene, was die Herstellung von wirksamen Impfstoffen bisher erschwert hat. Diese neue Untersuchung hat nun ergeben, dass eine Immuntherapie mit der Kombination von sieben Allergenen patientenspezifisch entwickelt werden könnte. Die Verleihung dieser beiden Preise verdient höchste Anerkennung, weil in der heutigen Pferdezucht das Wohl und die Gesundheit der Tiere das prioritäre Zuchtziel sein muss. Die Berner Genetiker haben gezeigt, dass dies dank den phantastischen Fortschritten in ihrem Fach möglich ist. In Bezug auf das Sommerekzem, das für die Equiden ein wirklich schweres Leiden ist und in der heutigen Pferdehaltung noch bedeutender werden kann, ist zusätzlich anzumerken, dass diese Fortschritte eine gezieltere Zucht – das beste Mittel der Prävention – ermöglichen können.
Stress – mal schlecht, mal gut
Das aus wissenschaftlicher Sicht «beste Poster» von Angela Kirchmeier, ebenfalls aus Bern, befasste sich mit neuen Möglichkeiten der Beurteilung von Stress bei Pferden. Dies ist interessanterweise ebenfalls ein Thema, das aktuelle Fragen aus dem Bereich «Pferd und Umwelt» betrifft. Heute wird ja bei vielen Nutzungen des Pferdes der Stress gemessen und beurteilt, z.B. bei Umzügen und Arbeitseinsätzen. Dabei konzentriert sich die Öffentlichkeit für gewöhnlich auf den «Disstress», der schädliche Auswirkungen haben kann. Leichter oder guter Stress («Eustress») hingegen fördert z.B. das Lernvermögen, was vermutlich jedem von uns bekannt ist. Diese neuen Möglichkeiten für eine zuverlässige Differenzierung des Stresses sind für den Umgang mit dem Pferd darum sehr willkommen.
Die «Pferdebranche» zeichnete den Vortrag von Silja Gunst aus Zürich aus, die ihre sehr gut präsentierte und sorgfältig erarbeitete Dissertation über den Einfluss von Asymmetrien von Reiter und Pferd auf die Satteldruckverteilung vorstellte. Sie befasste sich v.?a. mit dem Einknicken der Hüfte und dem Kippen des Oberkörpers des Reiters.
Wissenschaft in der Praxis
Die einleitenden Worte zur Netzwerktagung nahmen in erster Linie Bezug auf die zur Zeit aktuellsten gesellschaftlichen Probleme, den Klimawandel und den Umweltschutz. Das Thema «Pferd und Umwelt» wurde dann auch mit Beiträgen seitens der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) in Zollikofen gewürdigt. Hier wurde einerseits der Staub in Pferdeställen digital gemessen (C. Labie), was sowohl für die Gesundheit der Tiere und des Personals als auch für die Umwelt von Bedeutung ist. Anderseits wurde überprüft und festgestellt, ob Sägespäne als Einstreu bei der Entsorgung den Boden nicht übersäuern (L. Faval). Die Landwirtschaft gehört ja bei der Klimadiskussion zu den «drei grossen Bösen», wie die «Neue Zürcher Zeitung» schrieb; die in der HAFL beheimateten Pferdewissenschaftler sind somit für uns Pferdehalter überaus wichtige Partner.
Das Referat «Ökobilanz von Pferden und anderen Haustieren» von Niels Jungbluth im letzten Block des Tages wurde natürlich mit grösster Spannung erwartet. Ende letzten Jahres hatte seine Veröffentlichung zur Belastung der Umwelt durch Pferde, Hunde und Katzen viele Reaktionen ausgelöst. Einleitend erinnerte er an die Entwicklung unserer Kultur, bei der uns viele Tiere als Nutztiere begleiteten. Heutzutage werden Pferde aber häufig nur noch als Heim- bzw. Haustiere gehalten.  Es ist somit von allgemeinem Interesse, ihren Umwelteinfluss zu untersuchen und mit anderen Ökobilanzen zu vergleichen. Das Pferd ist im Vergleich zu anderen Haustieren natürlich gross und schwer und hat einen hohen Futterbedarf. Die Berechnung der sog. Umweltbelastungspunkte (UBP) ergaben dann auch, dass beim Pferd die Fütterung im Vordergrund steht. Insgesamt verursacht die Haltung eines Pferdes im Jahr 8,5 Millionen UBP und 3100 kg CO2-eq. (der Konsum des Menschen beträgt knapp dreimal mehr UBP). Selbstverständlich entsprechen diese Resultate einem durchschnittlichen Wert und je nach Haltung und Nutzung des Pferdes können grosse Unterschiede bestehen, beispielsweise bezüglich Autofahrten zum Stall und an Turniere, Art der Einstreu, etc.; ein umweltbewusster Umgang lässt hier merkliche Verbesserungen zu.
Den geradezu krönenden Abschluss der Netzwerktagung bildeten dann die Ausführungen von Georg Fink (Fink Reitanlagen, Aufkirchen). Aus vollem Herzen referierte er unter dem Titel «Umwelt geht uns alle an – ökologische Denkansätze aus der Praxis» und stellte klar, dass Umweltaktivisten keine Spinner, sondern Mahner und Visionäre sind. Deren Engagement beruhe auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, und Verbesserungen seien möglich, weil jedermann einen Beitrag leisten kann bzw. könnte. Fink regte an, dass wir uns Gedanken machen zur Umweltverträglichkeit von all unserem Tun und Lassen, bspw.
– Land sparen durch intelligente Planung und moderne Bauweisen,
– Bodenversiegelung vermeiden (z.B. Kies statt Asphalt),
– ökologische Baustoffe einsetzen,
– Verkehrskonzepte schaffen,
– Reitplätze umweltfreundlich bauen und pflegen,
– Regen- und Grundwasser statt Trinkwasser nutzen,
– Fassaden und Dächer begrünen,
– Abfall vermeiden, recyclen oder schonend entsorgen,
– Pferdemist als Brennstoff oder Kompost nutzen,
– neue Energiekonzepte entwickeln (Sonnenenergie für Strom und Heizung),
– Lichtemissionen senken (LED-Reitbahnbeleuchtung),
– Grünland extensiv sowie tier- und insektenfreundlich bewirtschaften (z.B. Hecken, kein Pestizideinsatz, pro Pferd ein Baum, Blühstreifen).
Abschliessend empfahl Fink zudem, dass sich in der heutigen Zeit die Forschung im Zusammenhang mit dem Pferd vorab der Ökologie widmen soll. Dies ist zweifelsohne zutreffend und steht bspw. im Einklang mit Bemühungen der Europäischen Föderation der Tierwissenschaften, die sich zusätzlich der Förderung der Bioenergie in der Land- und Forstwirtschaft sowie der Bewirtschaftung von Randregionen annimmt. Weiter macht sich das European Horse Network (EHN) stark dafür, die Vorteile des Einsatzes von  Equiden in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU aufzuzeigen.
Fink konnte mit seinem Beitrag  nur punktuell auf all diese und weitere Möglichkeiten eingehen, begeisterte die Teilnehmer aber trotzdem für sein Anliegen; seine Ausführungen wurden jedenfalls mit dem weitaus grössten Applaus honoriert. Eine ebensolche Anerkennung gebührt den Organisatioren der Tagung, die mit der Gestaltung des Programms ein wichtiges Netzwerk für die Bewältigung unserer Umweltprobleme geschaffen haben. Deren Komplexität kann nur in enger Zusammenarbeit von Experten in allen Bereichen der Pferdehaltung bewältigt werden. Man freut sich somit bereits auf die nächste Veranstaltung am 2. April 2020, die hoffentlich viele Hinweise auf eine progressive Kooperationsbereitschaft auf diesem überaus wichtigen Gebiet aufzeigen wird.

«Eidgenossen», die keine waren

Janine Vollenweider (Lehrstuhl für Medizingeschichte der Universität Zürich) interessierte sich aus historischer Sicht für den Tatbestand, dass importierte Kavalleriepferde als «Eidgenossen» galten. Für unsere Kavallerie wurden damals fast ausschliesslich importierte Warmblüter rekrutiert, obwohl insbesondere zu Zeiten von politischen Auseinandersetzungen eine landeseigene Zucht überaus wichtig gewesen wäre. Dies im Gegensatz zu den Freibergern, die vor allem für die Artillerie und den Train im Einsatz waren und die Bundesrat Scheurer dazumal (1920–1929) als «die besten Eidgenossen» bezeichnet hatte. Zur Klärung dieser Umstände analysierte Vollenweider die Literatur zu unserer Pferdezucht aus der Zeit von 1865 bis 1939 und zeigte die Bedeutung auf, welch patriotische Bedeutung solche Begriffe in schweren Zeiten haben können.
Die staatlichen Bemühungen um die Förderung der Warmblutzucht in der zweiten Hälfte des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren jedoch ineffizient. Ein triftiger Grund dafür war, dass der Import ausländischer Remonten günstiger war als die Aufzucht im eigenen Land. Im Gegensatz dazu konnte Vollenweider feststellen, dass sich im 20. Jahrhundert die Wertschätzung der Kaltblutpferde als Arbeitstiere in unserem Land besserte. Dank ihrem grossen Nutzen wurden sie nicht mehr despektierlich, sondern geradezu mit patriotischem Blick beschrieben. Aus Sicht der Historikerin war dies im Hinblick auf die geistige Landesverteidigung und die Definition von «schweizerischen» Werten von grosser Bedeutung. Die Konsolidierung der Zucht des Arbeitspferdes wurde durch die Suche nach nationaler Identität gefördert. Janine Vollenweiders Studie, welche auch den Stellenwert der Pferdezucht in vergangenen Jahren in der Wahrnehmung der Gesellschaft überzeugend darstellte, fand grosses Interesse und wurde verdienterweise mit dem «wissenschaftlichen Spontanpreis» ausgezeichnet.

  • Schweizer Zuchtgenossenschaft für Arabische Pferde

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