Letzte grössere Ausbrüche mit Bedeutung für die Schweiz wurden in der zweiten Jahreshälfte 2017 in Deutschland bei Polo- und Freizeitpferden entdeckt und zwar bis in den Landkreis Konstanz. In vielen Fällen ist der Übertragungsweg nicht gesichert. Die Verantwortung für die Übertragung wird vielfach den Insekten zugeschrieben. Es sind aber auch andere, seltenere Wege bekannt, wie nichtsteriles Injektionsmaterial, infizierter Samen, Transporte von angesteckten Pferden, die den Erreger von einem Tier zum anderen bringen können. Bei den 14 Polopferden in neun deutschen Ställen wurde laut Pressemitteilungen das Virus mit grosser Wahrscheinlichkeit durch unsachgemäss verabreichte Infusionen oder Injektionen weitergegeben. Diese Behandlungen wurden nicht von Tierärztinnen, sondern von Pferdepflegern oder den Besitzern selbst durchgeführt.
Es wird den verantwortungsbewussten Rösselern deshalb nahegelegt, diese Risiken als Laien nicht auf sich zu nehmen, um diesen Weg der Ansteckung zu unterbinden. Dies um so mehr als intravenöse Infusionen und Injektionen durch Laien bei Pferden in vielen Kantonen nicht als tierschutzgerecht beurteilt werden. Spezifische Impfungen sind nicht auf dem Markt und gezielte Therapien gibt es ebenfalls nicht. Es gilt also im eigenen Interesse, solche Selbstmedikationen tunlichst zu unterlassen und seuchenpolizeiliche Auflagen bei Auslandstarts mit dem Hof- und dem Amtstierarzt abzusprechen.
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Angstmacherei und veraltete Gesetze
von Christoph Petermann
Ganz klar mit einem 100 Prozent negativen Befund hat Heiner Bracher auf die Testergebnisse bei seinen Pferden gerechnet. Denn alle aus dem Ausland auf seinen Hof kommenden Pferde müssen einen Coggins-Test vorlegen. Und dennoch hatte die Equine Infektiöse Anämie (EIA) am 10. Juli 2017 den Stall von Heiner Bracher in Mülligen im Kanton Aargau erreicht. Im Rahmen des Polo-Cups mit europäischer Beteiligung wurde der Test als reine Kontrolle durchgeführt. Dementsprechend gross waren dann die Sorgen der Pferdebesitzer. Obwohl sofort eine Quarantäne errichtet wurde und es in der Schweiz bei diesem einzigen Fall blieb, spukte das «Gespenst EIA» noch einige Zeit herum. Doch wie berechtigt waren und sind die Sorgen? Genügen unsere gesetzlichen Möglichkeiten den Ansprüchen überhaupt?
Angstmacherei und Schwachsinn
Meistens findet die Infektion mit dem EIA-Virus durch Insektenstiche oder langanhaltenden direkten Körperkontakt statt. Eine Übertragung ausserhalb eines Radius von 200 Metern ist nahezu ausgeschlossen. Angesichts der Tatsache, dass die Sperrzone in Mülligen einen Radius von einem Kilometer hatte, konnte nach deren Errichtung eine weitere Ausbreitung ausgeschlossen werden. Obwohl das infizierte Tier in Mülligen schon seit vier Jahren bei Bracher eingestallt war und Kontakt zu den dortigen Pferden hatte, kam es zu keiner weiteren Ansteckung. Dies zeigt, wie schwer übertragbar besonders die chronische Form sein kann. Dies hat in der Schweiz vor allem mit dem Klima zu tun, das die Population der Übertragungsinsekten hemmt. So ist Bracher der Meinung, dass die beschworene Angst vor einer Ansteckung in unseren Breitengraden durch Insektenstiche pure Angstmacherei und Schwachsinn sei. Von offizieller Seite wird davon ausgegangen, dass das Pferd aus Mülligen in Deutschland durch unsaubere Spritzen infisziert wurde.
Veraltete Gesetze
Die Sperrzone rund um Mülligen wurde Anfang Oktober 2017 aufgehoben, nachdem die Pferde wiederholt negativ auf EIA getestet wurden. Was bleibt, ist eine gewisse Unsicherheit, auch wenn diese im Moment nicht begründet ist. Einige gesetzliche Lücken gibt es, die den heutigen Bedingungen nicht angepasst wurden. So müssen zwar alle Pferde aus Hochrisikogebieten wie Argentinien einen negativen EIA-Test vorweisen. Ein Testobligatorium besteht nicht. Ein solches wäre aber laut Heiner Bracher extrem sinnvoll, auch müsste das Seuchengesetz von 1968 überarbeitet und angepasst werden. Die jetzigen Gesetze sind nach Heiner Bracher veraltet und haben sich nicht mit den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen weiterentwickelt.
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