Die Abteilung Tierschutz der Universität Bern und das Schweizer Nationalgestüt Avenches haben mit Partnern aus Grossbritannien und den USA untersucht, ob sich aus den Augenfalten von Pferden Rückschlüsse auf das Wohlbefinden der Tiere ziehen lassen (siehe auch KAVALLO 5/2016). Die Falten über dem Augapfel werden durch Kontraktion des inneren Augenbrauenhebers hervorgerufen. Von Pferden war bisher einzig bekannt, dass Schmerzen die Ausprägung der Augenfalten verstärken. Allerdings werden Augenfalten unter Pferdekennerinnen und -kennern auch als «Sorgenfalten» bezeichnet. In einem Artikel in der Zeitschrift «PLOS ONE» beschreiben die Forschenden nun, was es damit auf sich hat.
Unterschiedliche Ausprägung
In einem ersten Schritt wurde anhand von Bildern der Augenpartie von Pferden eine Skala entwickelt, mit deren Hilfe unterschiedliche Aspekte der Augenfalten (Anzahl, Ausprägung, Winkel usw.) objektiv und zuverlässig bewertet werden können. In einem zweiten Schritt wurden Pferde im Abstand von Tagen in zufälliger Reihenfolge mit zwei angenehmen (emotional positiven) Situationen (Erwartung einer Futterbelohnung, Kraulen an Hals und Schulter) und zwei unangenehmen (emotional negativen) Situationen (Fütterung des Nachbarpferdes, Erschrecken durch Schwenken einer Plastiktüte) konfrontiert. Anschliessend wurden Bilder der Augenpartie im Vergleich mit Bildern der gleichen Tiere in neutralen Kontrollsituationen auf Veränderungen in der Ausprägung der Augenfalten untersucht. Dabei zeigte sich, dass insbesondere der Winkel zwischen der obersten Falte und einer Horizontalen durch den Augapfel unabhängig von der konkreten Situation in angenehmen Situationen abnahm, in unangenehmen Situationen dagegen zunahm.
Es werden nun weitere Schritte zur Validierung notwendig sein, bevor bestimmte Veränderungen der Augenfalten in der Praxis als zuverlässige Indikatoren des Wohlbefindens von Pferden verwendet werden können. Die Skala liefert nun ein zuverlässiges Werkzeug zur objektiven Erfassung der Ausprägung von Augenfalten in zukünftigen Studien.
Wiehern ist nicht einfach Wiehern
Pferde können durch Wiehern komplexe Informationen vermitteln und diese Äusserungen drücken, ähnlich wie beim Menschen die Stimme, ihre Emotionen aus. Jedes Wiehern setzt sich dabei aus zwei voneinander unabhängigen Grundfrequenzen zusammen, wie Wissenschaftler der Einheit für Ethologie und Tierwohl am Institut für Agrarwissenschaften der ETH Zürich im Fachmagazin «Scientific Reports» berichten. Die eine Frequenz gibt an, ob es sich um positive oder negative Emotionen handelt, die andere, wie stark diese Emotion ist. In keiner früheren Studie ist dieses Phänomen bisher beschrieben worden, obwohl die beiden Grundfrequenzen sogar mit dem normalen Gehör wahrzunehmen sind, wenn man bewusst darauf achtet. Wie Pferde gleichzeitig Laute auf zwei verschiedenen Tonebenen erzeugen, ist nicht genau bekannt. Die Wissenschaftler vermuten, dass sie durch ein asynchrones Vibrationsmuster der Stimmbänder entstehen. Pferde wiehern mit zwei unterschiedlichen Grundfrequenzen und teilen so neben positiven und negativen Emotionen zugleich deren Stärke mit. Das fanden Wissenschaftler der ETH Zürich im Zuge eines Forschungsprojekts heraus. Bislang war nicht bekannt, dass Pferde zweistimmig wiehern. Das Ergebnis: Die Intensität der Emotionen lässt sich am besten an der Herz- und Atemfrequenz, den Bewegungen der Pferde sowie beim Wiehern an den Eigenschaften der tieferen der beiden Grundfrequenzen sowie der lauter werdenden hohen Obertöne dieser Grundfrequenz ablesen. Konkret: Je aufgeregter ein Pferd ist, desto mehr beschleunigen sich Herz- und Atemgeschwindigkeit, es bewegt sich unruhig hin und her und desto höher ist beim Wiehern die tiefere der beiden Grundfrequenzen – unabhängig davon, ob es sich um positive oder negative Emotionen handelt.
Die Wertigkeit – also ob die Emotion positiv oder negativ ist – drückt sich am stärksten in den Eigenschaften der höheren Grundfrequenz, der Dauer des Wieherns sowie der Kopfhaltung aus: Positive Emotionen lassen sich daran erkennen, dass ein Pferd beim Wiehern die höhere Grundfrequenz etwas tiefer ansetzt sowie kürzer wiehert und dazu den Kopf senkt. Negative Emotionen äussert ein Pferd mit einer höheren hohen Grundfrequenz und einem längeren Wiehern.
Dieses Wissen kann Pferdehaltern ebenso wie Tierärzten dienen, das Verhalten der Tiere noch besser zu deuten und damit letztlich den Bedürfnissen der Pferde noch besser gerecht zu werden. Doch die Untersuchungen sind auch Teil eines grösseren Forschungsprojekts, das erkundet, wie sich das Mitteilen von Emotionen im Verlauf der Evolution bei verschiedenen Huftieren entwickelt hat. Im Fokus steht hier vor allem der Aspekt der Domestizierung.
Hörbeispiele
Elodie Briefer beschreibt ihre Erkenntnisse nicht nur ausführlich, beim ETH-Dokumentationszentrum sind auch zwei Hörbeispiele abgelegt:
Hörbeispiel 1
Das Wiehern eines Pferdes beginnt mit einem hochfrequenten Ton, zu dem ein dunklerer hinzu kommt. » Klick hier
Hörbeispiel 2
Wiehern von zwei Pferden, die jeweils hintereinander erst negative und dann positive Emotionen mit ihrem Wiehern ausdrücken. » Klick hier