Geballte Fachkompetenz auf dem idyllischen Hofgut Albführen: Im Rahmen einer Weiterbildungsveranstaltung für Tierärzte wurden neuste Forschungsergebnisse aus der Pferdemedizin präsentiert. Unter anderem sprach der Berliner Professor Dr. Georg von Samson-Himmelstjerna, einer der führenden Parasitologen, über das Parasitenmanagement bei Pferden.
Auf Einladung von Virbac, einem der führenden Schweizer Unternehmen für Tiergesundheit, nahmen kürzlich Tierärzte aus der Schweiz und dem süddeutschen Raum an einer Fortbildungsveranstaltung mit hochkarätigen Referenten teil. Professor Dr. Anton Fürst, Direktor der Pferdeklinik am Tierspital Zürich, sprach über die Fortschritte bei der Frakturbehandlung. Ruedi Keller vom Grosstierrettungsdienst zeigte die Möglichkeiten für die Bergung und den Transport verletzter Pferde. Der aus Berlin angereiste Professor Dr. Georg von Samson-Himmelstjerna, Direktor des Instituts für Parasitologie an der Freien Universität Berlin, präsentierte die neusten Erkenntnisse zum Parasitenmanagement.
Die Rückkehr der grossen Strongyliden
«Infektionen mit Parasiten kommen so gut wie in jedem Bestand vor und Pferde mit Weidegang sind einem ständigen Ansteckungs- und Erkrankungsrisiko ausgesetzt», sagte der renommierte Parasitologe und gab zu Beginn einen Überblick über die relevanten Eingeweidewürmer beim Pferd in Mitteleuropa. Aufgrund ihrer Häufigkeit und Gefährlichkeit sind die kleinen Strongyliden, der Pferdespulwurm, die Bandwürmer sowie die Pfriemenschwänze bei uns die bedeutendsten Pferdewürmer. Beunruhigendes berichtete Georg von Samson-Himmelstjerna über die grossen Strongyliden. Der gefürchtete Palisadenwurm Strongylus vulgaris war bis in die 1980er-Jahre der wichtigste Infektionserreger beim Pferd mit oft tödlichem Krankheitsverlauf. Dass dieser gefährliche Parasit in unseren Breitengraden fast vollständig zurückgedrängt werden konnte, wird der guten Wirksamkeit von Wurmkuren zugeschrieben. Wo nicht oder nicht mehr regelmässig entwurmt wird, kehren die grossen Strongyliden offenbar ungehindert zurück. Vor zwei Jahren wurden 46 Schlachtpferde auf Sardinien seziert und bei nahezu allen Tieren konnten Veränderungen der Darmblutgefässe nachgewiesen werden, die auf Infektionen mit gros-sen Strongyliden zurückzuführen waren. In Dänemark, wo man seit einigen Jahren in vielen Beständen nach der sogenannten «selektiven Methode» entwurmt, wurden die hochpathogenen Erreger in rund 80 Prozent der Betriebe vorgefunden. Und gemäss vorläufigen Resultaten einer laufenden Studie zeigte ein Drittel von 650 getesteten Pferden aus dem Raum Berlin einen erhöhten Antikörperspiegel gegen Strongylus vulgaris auf. «Sollten sich diese Daten bestätigen lassen, wäre dies allerdings ein alarmierendes Ergebnis», sagte Professor von Samson-Himmelstjerna.
Resistenzen bereiten Sorge
Da die grossen Strongyliden trotz aller Gefährlichkeit mit Entwurmen nach wie vor wirksam bekämpft werden können, diskutiert die Fachwelt heute intensiver über die kleinen Strongyliden und den Pferdespulwurm, wo eine zunehmende Zahl von Populationen gegen eine oder mehrere Antiparasitika-Wirkstoffe Resistenzen entwickelt haben. Diese Situation ist aus zwei Gründen besorgniserregend: Zum einen gibt es keine Alter-nativen zur Parasitenbekämpfung als Wurmkuren, also keine Impfungen oder Ähnliches, zum anderen sind in den nächsten Jahren auch keine neuen Wirkstoffe zu erwarten.
Das hat dazu geführt, dass sich eine wachsende Anzahl von Parasitologen, Tierärzten und Pferdebesitzern für eine nachhaltige Parasitenbekämpfung interessiert. Angesichts der Komplexität des Themas ist es nicht verwunderlich, das selbst aus der Wissenschaft teilweise variierende Empfehlungen hinsichtlich der bevorzugten Konzepte zur Kontrolle bestimmter Parasitenarten gegeben werden.
In der Diskussion ist insbesondere das bereits erwähnte Konzept zur selektiven Behandlung, das für die Parasitenbekämpfung bei kleinen Wiederkäuern (Schafen) entwickelt wurde und auf den ganzen Bestand und nicht das einzelne Tier abzielt. Da bei Pferden jedoch andere Voraussetzungen zum Beispiel bezüglich Art der Parasiten, Tieraltersgruppen und therapeutischer Anforderungen bestehen, zeigt das Konzept in der Praxis einige Schwachstellen. Zum einen ist es ausschliesslich auf die Bekämpfung der kleinen Strongyliden ausgerichtet, was die Gefahr einer Reinvasion der grossen Strongyliden birgt. Zum anderen werden bei der selektiven Methode nur die starken Eiausscheider in einem Pferdebestand entwurmt, dabei kann aufgrund der Anzahl Eier in einer Kotprobe nicht auf den Grad der Verwurmung eines Pferdes geschlossen werden. Selbst bei einer negativen Kotprobe kann ein Pferd stark verwurmt sein. Und einige Parasiten wie Bandwürmer, Magendasseln, Lungenwürmer, Leberegel oder Pfriemenschwänze können mittels Kotprobe gar nicht oder nicht zufriedenstellend nachgewiesen werden. «Die Anwendung einer selektiven Behandlung erscheint mir für die Wurmkontrolle weder als allgemein angemessen noch überzeugend begründbar», sagt Professor von Samson-Himmelstjerna. Doch auch er fordert eine Neuausrichtung der Wurmkontrollstrategien mit dem Ziel einer nachhaltigeren Anwendung der Antiparasitika: «Die Vermeidung oder Verzögerung von Resistenzen ist aber auch durch die Anwendung klassischer Wurmbekämp-
fungsansätze erreichbar.»
Mindestens zwei Behandlungen im Jahr
Gemäss von Samson-Himmelstjerna müssen neben dem vorliegenden Wurmbefall und den zur Verfügung stehenden Antiparasitika verschiedene Faktoren in das Parasitenmanagement einbezogen werden: Bestandesgrösse und -form, Haltungsform, Alter der Pferde, Nutzungsform und sogar die Witterung spielen eine Rolle. Zudem sollten eine regelmässige Überprüfung der Antiparasitika-Wirkung sowie ein konsequentes Parasitenmonitoring durchgeführt werden. Zusammen mit einer rigorosen Stall- und Weidehygiene sowie Quarantänebehandlungen von Neuzugängen (die Resistenzen in den Bestand tragen können), lässt sich die Behandlungsfrequenz reduzieren. «Unabhängig vom gewählten Behandlungsschema sind jedoch zwei Sicherheitsbehandlungen im Jahr unverzichtbar», sagt von Samson-Himmelstjerna. Diese sollten den ganzen Bestand zu festgelegten Terminen im Juni/Juli und November/Dezember pauschal abdecken. Die Wurmkur muss dabei genug hoch dosiert werden, da Unterdosierungen die Entstehung von Resistenzen begünstigen. Durch die Sicherheitsbehandlungen lassen sich diagnostische Unwägbarkeiten ausgleichen, die Gesundheit des individuellen Pferdes wird verbessert und ein Wiederaufflammen der grossen Strongyliden verhindert. Weitere Behandlungen sind je nach Situation des Bestandes nötig, Fohlen und Jungpferde zum Beispiel müssen deutlich öfter entwurmt werden. Allerdings sollte die Entwurmungsfrequenz bei Fohlen und Jährlingen auf vier Behandlungen im Jahr begrenzt werden, denn vermutlich sind es die bei dieser Altersgruppe in der Vergangenheit deutlich häufiger durchgeführten Entwurmungen, die zur Entstehung resistenter Wurmpopulationen geführt haben.