Der Anteil Pferde in Gruppenhaltung stieg in der Schweiz zwischen 1997 und 2002 von 15 auf 30 Prozent deutlich an. Neuere Zahlen fehlen, der Trend dürfte aber anhalten. Gruppenhaltung von Pferden entspricht einerseits dem Wunsch vieler Pferdebesitzer, ihren Tieren ein naturnaheres Leben zu gewähren. Andererseits verweist eine vor Kurzem von Agroscope publizierte Analyse verschiedener Betriebstypen auf eine höhere Wirtschaftlichkeit dieser Haltungsform im Vergleich zur Boxenhaltung. Die deutlich höheren Gewinne aufgrund geringerer Kosten dürften manchen landwirtschaftlichen Pensionsstall motivieren, sich für die Gruppenhaltung zu entscheiden. Allerdings ist die Haltung von Pferden in Gruppen nicht einfach, diverse Herausforderungen gilt es ernst zu nehmen. Die zunehmende Verbreitung dieses Haltungssystems fordert konkrete Angaben zu baulichen Voraussetzungen wie zum Beispiel der Gestaltung des Liegebereichs oder welche Qualität und Quantität an Einstreu ideal ist. Die Notwendigkeit von Einstreu wird gerade von Robustpferdehaltern oftmals angezweifelt. Aus arbeitstechnischen und finanziellen Gründen wird teilweise sogar ganz darauf verzichtet, obwohl Einstreu gemäss geltender Tierschutzverordnung vorgeschrieben ist. In einem laufenden Forschungsprojekt der ETH Zürich und des Nationalgestüts wird die Frage, wie wichtig Einstreu für das ungestörte Liegeverhalten ist, zurzeit untersucht.
Gruppe als komplexes Gefüge
Nötig sind auch bessere Kenntnisse der risikoarmen Integration neuer Gruppenmitglieder und der geeigneten Zusammenstellung von Pferdegruppen. Denn eine Pferdegruppe ist ein komplexes soziales Gefüge und kein zufälliges Aufeinandertreffen von Individuen. Verschiedene Methoden der Eingliederung neuer Pferde werden in der Praxis angetroffen. Gemäss Resultaten einer deutschen Forschungsgruppe der Universität Nürtingen Geislingen kommt es am wenigsten zu sozialen Auseinandersetzungen und somit Verletzungsrisiken, wenn das neue Pferd zuerst mit nur einem sehr freundlichen Gruppenmitglied für einige Tage ausserhalb der Gruppe gehalten wird. Erst als «Kumpel» werden sie in die Gruppe gelassen.
Genügend Platz und angepaste Gestaltung
Zudem muss in der Gruppenhaltung speziell beachtet werden, dass alle Pferde eine individuell angepasste Bedarfsdeckung, genügend Erholungsphasen und kein erhöhtes Verletzungsrisiko oder dauernden sozialen Stress erfahren. Die Grundvoraussetzungen sind genügend Raum und eine angepasste Gestaltung respektive Strukturierung des Stallraumes. Eine Publikation der bereits erwähnten Forschungsgruppe aus Nürtingen verweist auf eine Minimalfläche von
330 m2 pro Pferd, damit keine aggressiven Auseinandersetzungen mehr auftreten. Solche Raumansprüche sind in der Schweiz aufgrund der beschränkt vorhandenen Flächen und nicht zuletzt wegen der strengen Raumplanungsvorschriften natürlich nicht umsetzbar. Die seit dem 1. Mai 2014 gelockerten Bestimmungen zur Pferdehaltung in der Landwirtschaftszone schaffen vielerorts etwas Abhilfe.
Grosszügiger dimensionierte Allwetterausläufe werden auch kleinere Landwirtschaftsbetriebe und Hobbypferdehalter in der Landwirtschaftszone befestigen dürfen, Neubauten bleiben weiterhin verwehrt.
Auch wenn durch die Revision des Raumplanungsgesetzes Erleichterungen zu erwarten sind, bleiben die Flächen gezwungenermassen bescheiden. Auf beschränktem Raum kommt einer geeigneten Strukturierung des Raumes und Gestaltung des Auslaufs eine grosse Bedeutung zu, denn Trennwände und Raumunterteilungen können eine scheinbare Distanz schaffen und Konflikte vermeiden. Eine intelligente Einteilung, das heisst eine konsequente Trennung der vorhandenen Fläche in verschiedene Funktionsbereiche (Fress-, Ruhe-, Aktivitätsbereich), animiert zudem zu Bewegung und hilft, sozialen Stress sowie Verletzungen zu verhindern.
An den Universitäten Leipzig und Ulm durchgeführte Studien zum Einfluss neu angebrachter Strukturelemente in Einraum-Gruppenlaufställen des Haupt- und Landgestütes Marbach konnten eine deutliche Abnahme der Anzahl Aggressionen nachweisen. Allerdings wurden noch zu wenig verschiedene Möglichkeiten wie Höhe der Elemente, Materialien oder ideale Anbringungsorte verglichen, um Praktikern eine umfassende Anleitung zu geben. Daher ist beim Einbringen von Strukturelementen Ideenreichtum, Erfahrungsaustausch mit anderen Betrieben oder auch professionelle Beratung gefragt. Meist sind individuell an bestehende Gegebenheiten angepasste Lösungen notwendig. Zu vermeiden ist in jedem Fall natürlich das Schaffen von Sackgassen oder Engpässen.
Individuelle Fütterung ist gefragt
Computergesteuerte Futterabrufsysteme sind in der Gruppenhaltung anderer Nutztiere bereits bekannt, bei Pferden sind jedoch noch einige Fragen offen. Eine davon ist, wie man vermeiden kann, dass Pferde unter Umständen zu lange im Abrufstand verweilen und auf eine weitere Portion Futter warten? Nicht ganz konform mit der Tierschutzgesetzgebung wird in gewissen Systemen eine Austreibehilfe eingesetzt, welche dem Pferd einen leichten Stromschlag versetzt, wenn es den Futterstand nach beendeter Futteraufnahme nicht selbstständig verlässt. Mit dem Nachteil allerdings, dass die gleichzeitig erfolgende Futteraufnahme durch die Pferde aufgrund der Einzelabrufstationen verhindert wird. Hingegen kann man mit Hilfe dieser Systeme jedem Pferd individuell und bedarfsgerecht seine Rationen zuteilen und die Futteraufnahme über 24 Stunden verteilen. Individuelle Zuteilung von Futterrationen wird immer wichtiger, da sich Pferdegruppen oft aus kleinen und grossen, genutzten und nicht genutzten sowie aus alten und jungen Tieren zusammensetzen. Zudem muss dafür gesorgt werden, dass auch rangtiefe Pferde ungestört und in Ruhe fressen können.
Zur Bewegung animieren
Mit der Entwicklung hin zu sogenannten «Bewegungs- oder Aktivställen», neuerdings auch «Paddock-Paradise-Systemen», welche Pferde zu vermehrter Aktivität, sprich grösseren täglich zurückgelegten Laufdistanzen animieren, kommt geeigneten Bodenbelägen in Pferdeausläufen noch grös-sere Bedeutung zu als bisher. Gemäss ersten Resultaten von GPS-Messungen einer Forschungsgruppe der ETH Lausanne in Zusammenarbeit mit dem Nationalgestüt legen Pferde in herkömmlichen Gruppenanlagen ungefähr 4 km pro Tag zurück. Messungen in grosszügigen Bewegungs- bzw. Aktivställen aus Deutschland ergaben hingegen Distanzen von bis zu über 11 km in 24 Stunden. Bei der zunehmenden Anzahl unbeschlagener Pferde in solchen Systemen erfolgt teil-weise ein zu hoher Abrieb des Hufes. Klammes Gehen und sogar Huflederhautentzündungen können die Folge sein. Es gilt hier geeignete Bodenbeläge zu testen, damit die im Prinzip anzustrebende, vermehrte Bewegung keine neuen Probleme auslöst.
Einzelboxen offener bauen
Die Mehrheit der Pferde in der Schweiz wird nicht in Gruppenhaltung, sondern in Einzelboxen untergebracht. Auch an der Optimierung dieser Aufstallungsform arbeiten daher die Forschenden im Schweizer Nationalgestüt intensiv. Neuere Forschungsarbeiten aus der Universität Utrecht belegen, dass der Körperkontakt zwischen Artgenossen bei sozialen Interaktionen eine wichtige Rolle spielt. Die Möglichkeit, physische Kontakte mit Artgenossen zu pflegen, wird als «essenzielles Grundbedürfnis» von Pferden bezeichnet. Die praxisgängigen Pferdeboxen verhindern oftmals durch eng angebrachte Vertikalstäbe im oberen Teil der Boxentrennwand diese Berührungen. Enge Zwischenräume verhindern, dass Pferde beim Sichwälzen mit dem Bein hängen bleiben können und Auseinandersetzungen zwischen Nachbartieren zu Verletzungen führen. Speziell angefertigte Boxenwände, sogenannte «Kurtz-
Boxen» oder «Sozial-Boxen», die zur Hälfte aus einer geschlossenen Bretterwand und zur anderen Hälfte aus vertikal angeordneten Gitterstäben bestehen, wurden im Gestüt in Avenches eingebaut. Dank dem vergrösserten Abstand zwischen den vertikalen Gitterstäben ist es den Hengsten nun möglich, Körperkontakt mit ihren Boxennachbarn aufzunehmen und so zum Beispiel die arttypische soziale Fellpflege auszuführen. Dennoch können sie sich vom Nachbartier zurückziehen, indem sie hinter den geschlossenen Trennwandteil stehen. Bisher wurden 32 Hengste während je eines Monats in diesen Boxen gehalten, ohne dass es zu Biss- und Schlagverletzungen kam. Genauer untersuchen möchten die Forschen-den jedoch nun, ob die im neuen Boxensystem gehaltenen Hengste durch den vermehrten Sozialkontakt ihr Kontaktbedürfnis auch während der Nutzung ausleben wollen, also eine erhöhte Motivation aufweisen, mit anderen Pferden zu interagieren. Je nach Art der Nutzung wie im Zwei- oder Mehrspänner ist dies unter Umständen absolut unerwünscht und birgt allenfalls gar die Gefahr von Unfallrisiken für Mensch und Tier.
Weitere Informationen über die Forschungstätigkeit des SNG finden Sie unter www.agroscope.admin.ch/haras.