Der Beschluss der FEI-Generalversammlung, die Regeln betreffend Blutspuren in Springprüfungen zu ändern, hat zahlreiche heftige und teilweise sehr emotionale Reaktionen ausgelöst. Ich möchte vorwegnehmen, dass ich gegen die vorgeschlagenen Änderungen war und es sehr bedaure, dass sie in dieser Form angenommen wurden.

Bild: Ausschnitt Pexels
Aber worum geht es genau?
Bislang führte bei der FEI im Springen das Vorhandensein von Blut an den Flanken oder im Maul eines Pferdes (mit einigen Nuancen im letzteren Fall) zum Ausschluss. Blut an einer anderen Stelle führte nicht zum Ausschluss, anders als dies in der Dressur der Fall ist.
Der von der GV angenommene Artikel sieht vor, dass Blutungen, die durch die Ausrüstung oder den Sportler verursacht werden, künftig mit einer registrierten Verwarnung geahndet werden. Sollte innerhalb eines Jahres eine zweite Verwarnung ausgesprochen werden, werden automatisch eine einmonatige Sperre und eine Geldstrafe von 1’000 CHF verhängt.
Bei unbeabsichtigten Blutungen (die FEI erwähnt Pferde, die sich Zunge oder Lippe gebissen haben, sowie Nasenbluten) gibt es keine Strafe und, sofern das Pferd von der Jury und dem Vet Delegate als «fit to compete» erklärt wird, kann es den Wettkampf fortsetzen. (Zur offiziellen Mitteilung der FEI)
Was sind die positiven Aspekte?
Es ist logisch, zwischen Blutungen zu unterscheiden, die durch den Reiter verursacht werden (sei es durch falsche Verwendung der Hilfen – Hände, Beine, eventuell Peitsche – oder durch unpassende bzw. falsch angebrachte Ausrüstung) und wirklich unfallbedingten Blutungen. Es erscheint in der Tat unfair, eine Blutung zu sanktionieren, für die der Reiter nicht verantwortlich ist.
Zu begrüssen ist zudem, dass jedes Pferd, bei dem Blut festgestellt wurde, vom Tierarzt untersucht wird, bevor es eventuell den Wettkampf fortsetzen darf.
Was sind die negativen Punkte?
Es ist falsch, die Sanktion bei vom Reiter verursachten Blutungen zu mildern: Der Ausschluss bzw. die Disqualifikation sollte die Regel bleiben, idealerweise ergänzt durch eine registrierte Verwarnung mit den vorgesehenen Konsequenzen. Der Pferdesport steht unter starkem Druck und wird von bestimmten Kreisen heftig kritisiert. Die verabschiedete Regelung erweckt den Eindruck, dass man die Bedeutung von Blutungen herunterspielen will, was ein sehr schlechtes Zeichen ist.
Die Initianten (der US-Verband und der Springreiterclub IJRC) haben offenbar die politische Tragweite dieser Änderung nicht erkannt. Gleiches gilt für die 76 Verbände, die sie unterstützt haben. Andere, wie Deutschland, Schweden, Dänemark, Grossbritannien oder Österreich, hatten ihre Ablehnung im Vorfeld bekundet.
Was Swiss Equestrian betrifft, so gab es meines Wissens vor der GV keine Ankündigung, aber die Lektüre der SE-Mitteilung vermittelt den Eindruck, dass unser Verband nicht zu den 20 Verbänden gehörte, die sich dagegen ausgesprochen haben.
Wie geht es nun weiter?
Überlegungen zur Weiterentwicklung der Regelung werden nun von Deutschland angestossen, gefolgt unter anderem von der Schweiz. Aber es ist ein bisschen spät. Es geht insbesondere darum, eine einheitliche Doktrin bei allen Disziplinen in dieser Frage anzustreben, was ich begrüsse. Es muss jedoch darauf geachtet werden, dass diese Vereinheitlichung nicht zu einer Nivellierung nach unten führt.
Zusammenfassend glaube ich nicht, dass das Wohlergehen der Pferde im Wettkampf durch diese Änderung ernsthaft gefährdet ist: Es handelt sich nicht um eine «Erlaubnis zum Bluten», und ich denke, dass die Reiter die Gefahr einer zweiten Verwarnung ernst nehmen werden.
Die Auswirkung auf das Image des Pferdesports ist allerdings äusserst negativ: Wie kann man argumentieren, dass das Wohlergehen der Pferde von grösster Bedeutung ist und Nulltoleranz fordern, während man gleichzeitig die Sanktionen schwächt?
Politisch gesehen ist dies ein Eigentor, aber viele Verbände, allen voran die FEI, scheinen sich dessen nicht bewusst zu sein.

Med. vet. Charles F. Trolliet
Med. vet. Charles F. Trolliet ist ein erfahrener Schweizer Tierarzt mit Schwerpunkt auf Pferde und Pferdesport. Er ist seit über 30 Jahren als FEI-Tierarzt (internationale Reiterliche Vereinigung) tätig und war 20 Jahre im Vorstand des Schweizerischen Verband für Pferdesport (heute Swiss Equestrian) aktiv – acht Jahre als Vizepräsident und zwölf Jahre als Präsident. Er ist zudem Präsident von EQUI-SCOPE und Vizepräsident von Equestrian Action Group EAG
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