Das Equine Asthma Syndrom (EAS) gehört zu den häufigsten chronischen Atemwegserkrankungen beim Pferd und betrifft Tiere aller Altersgruppen. Auslöser sind meist Staub, Schimmelsporen oder mikroskopisch kleine Partikel im Stall, die eine dauerhafte Entzündung der Atemwege verursachen. Bisher steht im Vordergrund: Staubmanagement und – bei Bedarf – medikamentöse Behandlung mit Kortikosteroiden oder Bronchodilatatoren. Doch nun zeigt eine neue Studie der University of Georgia (USA), dass möglicherweise auch pflanzliche Wirkstoffe wie Polyphenole helfen könnten, die Entzündungsprozesse zu mildern – insbesondere bei milden Fällen von Pferdeasthma.

Was sind Polyphenole – und warum interessieren sie die Forschung?

Polyphenole sind sekundäre Pflanzenstoffe, die auch in Trauben, Beeren oder grünem Tee vorkommen. Sie gelten als natürliche Entzündungshemmer. In der Humanmedizin zeigen sie bei chronischen Atemwegserkrankungen wie Asthma oder COPD positive Effekte: Sie können freie Radikale neutralisieren, die Produktion entzündungsfördernder Zytokine verringern und die Reaktionsbereitschaft des Immunsystems regulieren (Alwarith et al., 2020).

Für Pferde ist diese Forschungsrichtung neu, obwohl bereits frühere Studien auf einzelne Wirkungen hinwiesen:

  • Siard et al. (2016) beobachteten, dass Polyphenole im Labor Entzündungsreaktionen von Lymphozyten älterer Pferde deutlich hemmen können.
  • Martin et al. (2020) fanden Hinweise, dass Resveratrol – ein bekanntes Polyphenol – bei Pferden mit Gelenksproblemen Entzündungsmarker positiv beeinflussen kann.

Die neue Studie (Andrews et al., 2025) knüpft daran an und untersucht erstmals die Wirkung einer Polyphenol-Mischung auf Pferde mit Atemwegserkrankung.

Die Studie: Pflanzenstoffe gegen Pferdeasthma

Das Forschungsteam der University of Georgia führte zwei Versuchsreihen durch.

Teil 1: Wirkung und Verträglichkeit
18 Pferde (8 gesunde, 10 asthmatische) erhielten über 6 – 8 Wochen ein Futterergänzungsmittel auf Polyphenolbasis (AirWise™, Kentucky Performance Products). Vor und nach der Supplementierung wurden Blutproben, Atemtests und Bronchoalveoläre Lavagen (BAL) zur Beurteilung der Entzündungszellen entnommen.

Teil 2: Belastungstest unter Staubeinfluss
10 asthmatische Pferde erhielten vier Wochen lang eine staubarme Diät. Anschliessend wurde die Lunge bewusst mit staubigem Heu gereizt – um zu prüfen, ob das Präparat die Belastungsreaktion abschwächen kann.

Ergebnisse: Milder, aber messbarer Effekt

In der ersten Phase zeigte sich bei den asthmatischen Pferden ein deutlicher Rückgang bestimmter Entzündungsmarker:

  • Der Anteil neutrophiler Zellen in der Lungenflüssigkeit sank signifikant (p = 0.02).
  • Die Konzentration des entzündungsfördernden Interleukin 6 (IL-6) nahm ab.
  • Auch das immunregulierende Interleukin 10 (IL-10) veränderte sich, was auf eine Modulation der Entzündungsbalance hindeutet.

Im zweiten Versuch konnten die Forschenden zeigen:

  • Pferde, die die Polyphenole erhielten, reagierten gelassener auf die Staubbelastung.
  • Sie hatten signifikant niedrigere Atemfrequenzen (p = 0.008)
  • und seltener auffällige Reaktionen beim Rebreathing-Test (p = 0.002).

Nebenwirkungen traten keine auf – die Ergänzung war gut verträglich.


Was bedeutet das für die Praxis?

Die Studie legt nahe, dass Polyphenole keine Wundermittel, aber eine ergänzende Unterstützung im Management milder Asthmafälle sein könnten – in Kombination mit konsequenter Staubreduktion.

Das heisst konkret:

  • Sie können helfen, Entzündungsreaktionen abzuflachen.
  • Sie ersetzen aber keine tierärztliche Diagnose oder Therapie.
  • Bei schweren Fällen, in denen die Atemwege bereits strukturell verändert sind, zeigte sich kein signifikanter Effekt.

Fazit: Ergänzung mit Augenmass – und tierärztlicher Begleitung

Die Ergebnisse sind vielversprechend, aber kein Freifahrtschein für Selbstversuche.
Jedes Pferd reagiert unterschiedlich, und nicht jede Atemwegserkrankung ist gleich. Wer über Ergänzungsfuttermittel nachdenkt, sollte das immer mit seiner Tierärztin oder seinem Tierarzt absprechen – besonders, wenn bereits Medikamente oder andere Präparate im Einsatz sind.

Die Kavallo-Redaktion stützt sich gerne auf aktuelle Forschungen, wir wissen aber: Wissenschaft liefert Orientierung, keine Einzelfalltherapie. Denn jedes Pferd ist einzigartig – und genau so sollte auch sein Behandlungsplan aussehen.


Quellen:

  • Andrews K.M., Berghaus L.J., Hart K.A. (2025): Polyphenol supplementation modulates pulmonary inflammation in horses with equine asthma syndrome. Journal of Equine Veterinary Science. DOI: 10.1016/j.jevs.2025.105715
  • Couëtil L.L. et al. (2016): Inflammatory airway disease of horses – Revised consensus statement. J Vet Intern Med.
  • Siard M.H. et al. (2016): Effects of polyphenols on lymphocyte cytokine production in senior horses in vitro. Vet Immunol Immunopathol.
  • Alwarith J. et al. (2020): The role of nutrition in asthma prevention and treatment. Nutr Rev.

Foto: Pexels

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