Ganze Parade, halbe Parade – wer kennt diese Ausdrücke nicht. Zu Recht, denn die Bedeutung der Paraden kann man in der Ausbildung von Pferden nicht genug hervorheben. Doch von ihnen zu sprechen, ist leichter als sie im Sattel umzusetzen. Aber die Ausführung ist ein Geduldspiel, das sich über Jahre hinweg erstreckt. Besonders die halben Paraden spielen in der Ausbildung von Reiter und Pferd eine grosse Rolle. Denn erst durch sie lernt der Reiter, sein Pferd zu kontrollieren, das Tempo zu regulieren sowie eine regelmässige Haltung und Stellung einzuhalten. In der richtigen Einteilung und Ausführung der halben Paraden liegt – wie wir später lesen werden – ein wesentlicher Anteil der erfolgreichen Dressur. Das Wesentliche bei sämtlichen Paraden ist, diese von hinten nach vorn auszuführen: Zu den angestellten Zügeln gehören deshalb immer gleichzeitig vortreibende Hilfen.
In der Reitersprache spricht man nur von halben oder ganzen Paraden. Die halben Paraden können aber, und das vorzugsweise bezüglich Intensität, auch als Einviertelparaden gegeben werden. Zwei Einviertelparaden bringen oft mehr als eine einzige halbe Parade. Schon ein junges Pferd, welches am Beginn der Ausbildung steht, sollte mit diesen halben Paraden vertraut gemacht werden, sobald es die treibenden und die verhaltenden Hilfen des Reiters kennengelernt hat und darauf reagiert. Der Reiter kann mittels dieser halben Paraden auch verhindern, dass das Pferd immer wieder ins «Laufen» und damit «auf die Vorhand kommt». Halbe Paraden sind aus der Reiterei nicht wegzudenken, denn ohne sie ist es nicht möglich, im Verlaufe der Ausbildung ein durchlässiges Pferd zu bekommen und diese Durchlässigkeit auch zu erhalten.
Nicht als Ziehen zu verstehen
Nun sieht man bei diesen halben Paraden vielfach ein ein- oder mehrmaliges kurzes «Am-Zügel-Ziehen» des Reiters. Nicht selten wird dabei das Gebiss im Maul des Pferdes hin- und herbewegt, was mit halben Paraden nichts zu tun hat. Ein Ziehen am Zügel gibt es in der Ausbildung mit einem Pferd nicht (Notfälle und überlegte Korrekturen ausgenommen). Die halben wie auch die ganzen Paraden dürfen nicht nur am Zügel und mit der Hand erfolgen. Sie müssen aus dem ganzen Sitz des Reiters kommen, damit die gewünschte Wirkung gegeben ist.
Das Entscheidende bei den halben wie auch bei den ganzen Paraden ist, dass diese in einer ersten Phase von hinten nach vorne erfolgen müssen. Diese Paraden bestehen darin, dass der ruhig, gut sitzende und auf die Bewegung des Pferdes eingehende Reiter sich vermehrt aufrichtet (Körperspannung) und aus diesem Sitz heraus sein Pferd am Schenkel auffordert, energischer an das Gebiss, an die Anlehnung heranzutreten. Daraufhin folgen die Paraden, welche mit mehr oder weniger Intensität auf das Pferd einwirken sollen. Reagiert das Pferd auf diese halben Paraden, bleibt die Hand ruhig und aushaltend stehen. Nur so kann sich das Pferd am Gebiss abstossen und angenehm werden in der Hand.
Damit die halben wie auch die ganzen Paraden nicht nur aus Zügelanzügen bestehen, ist es unerlässlich, dass der Reiter seinen Sitz und die damit zusammenhängende Einwirkung immer wieder überprüfen lässt. Gerade die halben Paraden und das Gefühl für diese halben Paraden sollten unter Aufsicht eines versierten Ausbildners erlernt werden. Der Reiter muss auf einen geschlossenen Sitz achten, d.h., die Arme sollen leicht am Körper anliegen und so mit dem Reitersitz verbunden sein.
Ans Gebiss herantreten
Durch die direkt hinter dem Gurt liegenden, vermehrt treibenden Schenkel soll das Pferd immer wieder dazu veranlasst werden, mit der Nachhand aktiver und damit deutlicher unter den Schwerpunkt zu treten. In der Folge wird es mit der Zeit die Hinterhandgelenke mehr biegen können, somit die Kruppe senken und über das Genick nach vorne an das Gebiss (Anlehnung) herantreten.
Durch das erwähnte Abstossen am Gebiss wird das Pferd über das Genick zurückkommen und dieses Zurückkommen geht im Idealfall bis zu den Hinterhandgelenken, aus welchen wieder der erneute Schwung nach vorne kommen muss. Dieses gewünschte und notwendige Abstossen am Gebiss ist dem Pferd jedoch nur möglich, wenn die Hand, ohne zu ziehen, aushaltend und ruhig stehen gelassen wird. An einem unsteten, sich vor- und zurück-, hin- und herbewegenden Gebiss kann kein Abstossen erfolgen. Je nachdem, mit welcher Intensität diese Hilfen angewendet werden, wird da-raus eine Viertel-, eine halbe oder eine ganze Parade.
Reicht ein «Stehenlassen» der Hand zwischen den halben Paraden nicht aus, ist es notwendig, dass der Reiter auch ein- oder zweimal mit einer aus der Hand oder sogar aus dem Arm kommenden kurzen und energischen Parade das Pferd auf die Hilfen aufmerksam machen muss. Dabei bleibt der Sitz ruhig und die Unterschenkel bleiben passiv am Pferd liegen, um jedoch im nächsten Moment wieder treibend einzuwirken. Die Hand wird nach dieser stärkeren Parade sofort wieder entspannt. Vor allem bei einem Pferd, welches so weit ausgebildet ist, dass es sich versammeln lässt, müssen die Paraden durch das ganze Pferd hindurch gehen, von hinten nach vorne und von vorne nach hinten. Nur dann spricht man von einem durchlässigen Pferd.
In der Regel erfolgen halbe Paraden am äusseren Zügel. Die innere Hand, verantwortlich für die «Weichheit», darf dabei nicht vorgehen, sie bleibt auch stehen, wird nur weicher vom Gefühl her. Sie sorgt auch, zusammen mit dem inneren Schenkel, für die Biegung und die Stellung. Gibt der Reiter jedoch am inneren Zügel während der halben Parade nach, zieht er, wie schon erwähnt, nur das Gebiss von einer Seite auf die andere, was mit einer Parade nichts zu tun hat.
Auch wenn der Reiter mit dem geradegestellten Pferd geradeaus reitet, gibt es immer eine äussere, das Pferd sammelnde Seite (halbe Paraden) und eine innere Seite, welche für die Weichheit sorgen soll. Würde der Reiter diesen Unterschied nicht «reiten», hätte das Pferd zu viele Gelegenheiten, sich meist unbemerkt den Hilfen des Reiters zu entziehen.
Vorteilhaft ist es, wenn Reiter und Pferd diese halben Paraden zuerst einmal auf der grossen Volte «verinnerlichen». Am inneren Schenkel wird direkt am Gurt vermehrt Druck gegeben. Am inneren Zügel verlangt der Reiter gleichzeitig vom Pferd etwas mehr Kopfstellung. Der äussere Schenkel liegt ebenfalls am Gurt und erhält den Schwung nach vorne. Wenn der Reiter spürt, dass das Pferd den Druck am inneren Schenkel beachtet und auch willig der Aufforderung nachkommt, sich im Genick etwas mehr nach innen stellen zu lassen, wird an der äusseren Seite die halbe Parade wirksam. Sind solche positive Reaktionen zu spüren, kann der Reiter auf die gerade Linie gehen, um die Durchlässigkeit zu überprüfen. Sobald diese Durchlässigkeit auf geraden Linien wieder schwindet, soll immer wieder auf gebogene Linien zurückgekehrt werden.
Ganz wichtig bei diesen halben wie natürlich auch bei den ganzen Paraden ist, dass der Reiter das Pferd gut einrahmt, d.h., er soll ruhig, weich und trotzdem fest (Körperspannung) sitzen. Die Unterschenkel sollen am Pferd liegen und die stete Anlehnung muss gewährleistet sein. Nur dann spürt er, was er, sein Pferd unterstützend, tun muss.
In der zweiten Lektion zu den halben und ganzen Paraden wird es unter anderem darum gehen, wie der Reiter lernen muss, den richtigen Zeitpunkt für Paraden zu erfühlen und nicht irgendwann zu geben.
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