«Ohne Huf kein Pferd» – ein oft gehörter und wichtiger Satz in der Pferdewelt. Als Fluchttier bewegt sich das Pferd die meiste Zeit des Tages auf seinen Beinen. Der Huf ist ein komplexes System an stark durchbluteten Lederhäuten, Bändern und verschiedenen Hornstrukturen. Was heisst dies für die Arbeit des Huforthopäden?
Von Mélanie Stucki, Fachschule für Huforthopädie Schweiz FHS
Anders als beim orthopädischen Hufschmied wird bei der Huforthopädie der unbeschlagene (Bar-)Huf bearbeitet. Dabei wird jeder Huf in seiner Individualität betrachtet. Jeder Huf ist von Natur aus verschieden – die bevorzugte Belastung des Pferdes bereits in seinem Fohlenalter, die individuelle Gliedmassenstellung und die natürliche Schiefe resp. Händigkeit des Pferdes haben Einfluss darauf, wie sich der Huf im Verlauf des Pferdelebens verformt.
Der Huforthopäde erkennt die sich am Huf zeigenden Symptome (schräg zum Boden stehende Wände, ungleiche Hufhälften, Faltenbildung, Rissbildung usw.). Mit diesen werden Rückschlüsse darüber gezogen, wie der jeweilige Huf aktuell belastet wird. Daraus resultiert die Zielsetzung der Bearbeitung. Durch Messerschnitte und gezielter Beraspelung werden unter anderem schmerzende Hebelwirkungen ausgeschaltet, drückende Sohlenwülste geglättet und Eckstreben gekürzt.
Dem Pferd wird damit ermöglicht, seinen Huf wieder gleichmässig zu belasten. Durch die gleichmässige Belastung und das dadurch veränderte Abriebverhalten kann der Huf langfristig wieder in der für ihn physiologischen und somit idealen Form herunterwachsen.
Ideale Form?
Der Huf ist für das Pferd dann ideal, wenn er gleichmässig belastet wird und einen funktionstüchtigen Tragrand aufweist. Ideal muss der Huf fürs Pferd sein, nicht für das Auge des Betrachters. Fürs Pferd soll es angenehm sein, seinen Huf rundum gleichmässig zu belasten und es ist nicht nützlich, wenn der Huf von aussen her «schön geraspelt», oder gar nach bestimmten Winkelvorgaben bearbeitet wird.
Durch Manipulationen am Huf wird das Pferd in eine für es unphysiologische Haltung gezwungen. Die beteiligten Strukturen wie Sehnen und Bänder können auf abrupte Stellungskorrekturen ungenügend flexibel reagieren, das Pferd wird eine Schonhaltung einnehmen, was sich negativ auf sein Verhalten, seinen Körper und im Umkehrschluss wiederum auf seine Hufe auswirken kann.
Der Huforthopäde arbeitet deshalb schonend und gibt die nötigen Impulse, damit das Horn in einem optimaleren Winkel nachwachsen kann und die Strukturen genügend Zeit haben, sich an die neue Situation mitanzupassen.
Langwieriger, aber nachhaltiger Prozess
Die Rückführung der Hufe in eine physiologische Form kann mitunter ein langwieriger Prozess sein und bedingt die Mitarbeit des Besitzers. Haltung und Fütterung sollen auf das Pferd abgestimmt sein.
Bei der Umstellung von Eisenbeschlag auf Barhuf ist eine regelmässige Kontrolle in kurzen Intervallen wichtig, damit sich eine ungleiche Belastung nicht einschleichen resp. festigen kann. Allenfalls muss in der ersten Phase die Bewegung angepasst werden und ein temporärer Hufschutz in Form von Hufschuhen kann nötig sein. Der Huforthopäde kann den Besitzer zu diesem Thema beraten und eine optimale Lösung finden.
Langfristige Kontrolle
Der Huforthopäde erkennt kleinste Veränderungen und Symptome am Huf. Sie kann somit genau beurteilen, welchen Einfluss ihre Bearbeitung auf den jeweiligen Huf hat. Dabei helfen auch aussagekräftige Fotos, mit der der Huforthopäde die Entwicklung der Hufe dokumentiert. So kann immer wieder überprüft werden, wie sich die Hufe und das Gebäude des Pferdes verändern. Die Fotodokumentation ist auch ein wichtiges Reflexionsinstrument für die Arbeit.
Weiterbildung zum Huforthopäden
Anders als beim Berufsbild Hufschmied gilt die Ausbildung zum Huforthopäden nicht als berufliche Grundbildung mit EFZ-Abschluss, sondern der Abschluss wird über eine berufsbegleitende, sogenannte fachspezifische berufsunabhängige Ausbildung FBA erlangt.
Denn die gewerbsmässige Hufpflege ist in der Schweiz bewilligungspflichtig und wird in der Tierschutzverordnung geregelt. Um eine Bewilligung zu erhalten, muss also eine ebensolche FBA absolviert werden. Die Anforderungen an eine FBA werden vom BLV in der Tierschutzausbildungsverordnung geregelt und sind gering gehalten. Die Stundenpläne, Dauer und Kosten der verschiedenen angebotenen FBA-Ausbildungen unterscheiden sich teils erheblich.
Für die Ausbildung zum Huforthopäden an der Fachschule für Huforthopädie Schweiz FHS wird ein Berufsabschluss und Volljährigkeit vorausgesetzt. Weiter verfügt der angehende Huforthopäde über räumliches Vorstellungsvermögen, gute körperliche Konstitution und die Bereitschaft, sich in die komplexe Thematik der Biomechanik einzuarbeiten. Wichtig ist auch, dass die auszubildende Person genügend Zeit hat, zwischen den Ausbildungsmodulen das Erlernte zu repetieren und geforderte Fallpräsentationen zu erstellen.
Die Ausbildung wird berufsbegleitend während ca. 1 Wochenende pro Monat über 3 Jahre besucht und schliesst mit einer Abschlussprüfung ab. Insgesamt um die 400 Stunden Theorie und Praxis werden während der Ausbildung absolviert. Dabei erlangt der angehende Huforthopäde fundierte Kenntnisse in Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie und die Biomechanik des Hufes und des Bewegungsapparates. Um die Pferdebesitzer ganzheitlich beraten zu können werden auch Themen wie Energielehre, manuelle Therapie und Ernährung behandelt.
Weitere Informationen über die Huforthopädie: www.huforthopaedie-schweiz.ch / www.huforthopaedie.ch
Weitere Informationen über die Fachschule für Huforthopädie Schweiz FHS: www.fachschule-huforthopaedie.ch
Eine Liste der anerkannten Organisationen, die eine «FBA Hufpfleger» anbieten, finden Sie auf der Website des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, www.blv.admin.ch -> Tiere -> Tierschutz -> Ausbildung
Auf dem Bild: Links ist gut die ungleichmässige Breite beider Hufhälften zu erkennen. Die Ballen sind unterschiedlich hoch und breit bzw. schmal. Auch die Eckstreben stehen in unterschiedlichen Winkeln zum Boden. Markant ist auch die unterschiedliche Kontur des Tragrandes. Im rechten Bild derselbe Huf mit deutlich physiologischer Hufform.