Am 7. November 2025 stimmte die Generalversammlung der FEI mit deutlicher 95-Prozent-Mehrheit für ein umfassend umgebautes Springreit-Reglement – und damit für eine Neuausrichtung der «Blood Rule». Künftig wird Blut am Pferd nicht mehr automatisch zur sofortigen Disqualifikation führen. Stattdessen müssen Jury und Veterinär vor Ort beurteilen, ob ein Pferd «fit to compete» ist. Nur bei positivem Befund darf das Pferd weitermachen. Fälle von offensichtlichem Missbrauch, etwa beim Einsatz von Sporen oder grober Einwirkung, führen aber nach wie vor zu einer unmittelbaren Disqualifikation.

Foto: Abode Stock/castenid (Symbolfoto)

Neue Transparenz und Verwarnsystem

Gleichzeitig sorgt das neue Verwarnsystem für eine zweite Verschiebung der Verantwortlichkeit: Verwarnungen wegen Blutspuren werden künftig online publiziert und an die nationalen Verbände weitergereicht. Zwei Verwarnungen innerhalb von zwölf Monaten führen zu einer Sperre von einem Monat und einer Busse von 1’000 Franken. Damit soll Transparenz geschaffen werden, doch die Frage bleibt: Wird die Praxis dem Anspruch standhalten – oder verschiebt sich die Problemzone lediglich von der Arena in den administrativen Backoffice? Nationalen Verbänden steht es offen, bei Bedarf zusätzliche Kontrollen oder Massnahmen zu verhängen.

Schweizer Engagement für einheitliche Linie

Swiss Equestrian – offiziell vertreten durch CEO Michel Sorg – hat sich im Vorfeld und während der FEI-Versammlung öffentlich dafür eingesetzt, dass der Schutz der Pferde in allen Disziplinen sichergestellt wird. In Hong Kong forderte das Schweizer Team, die Regel zu Blutspuren solle disziplinübergreifend und einheitlich ins Generalreglement der FEI aufgenommen werden.

Warum ist diese Änderung so umstritten?

Die enorme Zustimmung der Delegierten steht in einem Kontrast zur Kritik aus der Fachwelt, die darin eine Aufweichung des Tierschutzes sieht. Das Signal, dass „ein bisschen Blut“ toleriert wird, sei fatal – und ein Imageschaden, der sämtliche Reden vom Wohlergehen der Pferde ad absurdum führe. Man fürchte einen Dammbruch in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit und einen Rückschritt für das Renommee des Pferdesports.

Wenn wir anfangen, Blut zu relativieren, verlieren wir die Achtung vor dem Lebewesen Pferd und das Vertrauen der Gesellschaft

Martin Richenhagen (FN Präsident)

Der deutsche Verband stimmte gegen die neue Regel, Peta nannte sie „unethisch“ und verschiedene Tierschutzorganisationen kündigen Protest an.

Stimmen aus der Reitsportszene

Nicht nur Verbandsvertreter und Journalisten äussern sich: Eine internationale Online-Petition gegen die Reform bekam in wenigen Tagen über 65.000 Unterschriften, zahlreiche Diskussionen und klare Statements auf Facebook und Co. (unter anderem auch auf unserem Account) sind entfacht. Die prominentesten Medienberichte fassen die Stimmung zusammen: „Devastating message“ (YourHorse), „Retrograde step for horse welfare“ (ISES), „Das Ende von Nulltoleranz – und Anfang eines Glaubwürdigkeitsproblems“ (deutsche und Schweizer Stimmen).

Verschiedene Disziplinen, verschiedene Regeln: Was die Blood Rule im Alltag bedeutet

Die neue „Blood Rule“ gilt bislang nur fürs Springreiten – andere Disziplinen bleiben bei ihren eigenen Vorgaben. In der Dressur gibt es weiterhin Nulltoleranz: Sichtbares Blut führt immer zur sofortigen Disqualifikation. Vielseitigkeit geht differenziert vor: Dressur und Gelände sind strenger, im Springteil sind Einzelfallentscheidungen möglich. Im Voltigieren wird der Wettkampf bei Blut sofort gestoppt und das Pferd tierärztlich untersucht. Im Distanzreiten entscheidet der Vet-Check; bei sichtbaren Verletzungen oder Blut gilt das Pferd als „not fit to continue“. Fahrsport verlangt Untersuchung, aber keine automatische Disqualifikation – es zählt ebenfalls das Juryurteil.

Für den Alltag bedeutet das: Der Umgang mit Blut ist je nach Disziplin unterschiedlich streng geregelt. Für Profis und Amateure bleibt damit die Verantwortung beim Team und den Offiziellen – Pferdeschutz ist und bleibt eine Frage der Praxis und Kontrolle, nicht allein des Regeltexts.

Fazit

Die aktuelle Anpassung der Blood Rule hat die Diskussion um Ethik und Verantwortung im Pferdesport (erneut) entfacht und sorgt, auch abseits von Fachgremien, in der weltweiten Szene für einen Paradigmenstreit. Wie sehr hinter dem Versprechen auf Tierwohl tatsächlich Konsequenz steckt, werden die ersten Fälle im kommenden Jahr zeigen.

Quellen & Hintergründe:

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