Blutfarmen in Island und in Deutschland

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Rund 100 Island-Pferde starben im Dezember durch einen heftigen Wintersturm.

Die Tierschutzorganisationen Animal Welfare Foundation (AWF, Deutschland) und der Tierschutzbund Zürich (TSB, Schweiz) haben in Island ein Geschäft aufgedeckt, an dem rund 100 Blutfarmen mit 5.000 Pferden beteiligt sind. Auf diesen Farmen wird Stuten in der frühen Trächtigkeit über einen Zeitraum von bis zu zehn Wochen Blut entnommen. Das Blut enthält das Hormon PMSG, das vor allem in der industriellen Ferkelproduktion zur Steigerung der Fruchtbarkeit und zur Synchronisierung von Geburten eingesetzt wird. Unsere Recherchen haben entgegen allen Aussagen der Pharmakonzerne eine Reihe massiver Tierschutzverstösse aufgedeckt. Die meisten Stuten sind halbwild, sie haben kaum Kontakt zum Menschen. Aufnahmen der Blutentnahme zeigen, wie Arbeiter die verängstigten Pferde schlagen, sie laut anschreien und Hunde hinter ihnen herjagen. Eine Koalition internationaler Tierschutzorganisationen fordert von der EU-Kommission ein Import- und Produktionsverbot für PMSG – eine Forderung, die kürzlich auch das Europäische Parlament gestellt hat.

Das Video über die Recherche:

 

 

Zum Artikel bei geo.de.

Zur Meldung des deutschen Tierschutzbundes.

 

Update 01.02.2022: Offizielle Medienmitteilung des TSB Zürich

Blutiges Geschäft mit Islands Pferden

Eine aktuelle Recherche des Tierschutzbund Zürich (TSB Zürich) aus den Jahren 2019 und 2021 deckt massive Tierquälerei in Island auf. Auf derzeit 119 Blutfarmen wird rund 5’300 trächtigen Stuten Blut abgezapft für die Produktion des Fruchtbarkeitshormons PMSG (Pregnant Mare Serum Gonadotropin). Verdeckte Filmaufnahmen zeigen einen brutalen Umgang mit den Tieren. «Mit Gewalt wer‐ den die halbwilden, verängstigten Pferde in die Blutentnahmeboxen getrieben und fixiert», berichtet Sabrina Gurtner, Projektleiterin beim TSB Zürich. Auftraggeber der Blutfarmen ist das isländische Pharmaunternehmen Istekaehf. Es beliefert u. a. die Pharmakonzerne MSD/Intervet und Ceva Santé Animale. MSD/Intervet vertreibt das fertige PMSG‐Präparat P.G. 600 auch in der Schweiz.

Die PMSG‐Produktion steigt rasant in Island. Bis 2019 hat sie sich innerhalb weniger Jahre verdreifacht. Jetzt erhielt Isteka von der isländischen Umweltbehörde die Genehmigung, die Produktion künftig nochmals nahezu zu vervierfachen von derzeit 170’000 Liter Blut auf 600’000 Liter.

«Das würde bedeuten, dass in Island bis zu 20’000 Stuten, also bis zu 30 % aller in Island lebenden Stuten im Blutgeschäft eingesetzt werden würden. Um diese gewaltige Anzahl Pferde zu halten, bedarf es einer Fläche, die dreimal so gross ist wie die Hauptstadt Reykjavik», so Sabrina Gurtner. In einem Dokumentarfilm hat der Tierschutzbund Zürich die Blutentnah‐ men festgehalten. «Mit hupenden Autos, bellenden Hunden und Peitschenschlägen werden die trächtigen Stuten und ihre Fohlen in die Pferche getrieben. Dort werden sie von den Fohlen getrennt und erneut mit Schlägen – u. a. mit Eisenstangen und Holzbalken – in die Zutriebgänge der Blutentnahmeboxen separiert. In der Fixierbox wird den Stuten der Kopf nach oben überstreckt festgebunden. Ein Spanngurt über den Rücken soll verhindern, dass sie sich aufbäumen. Das Setzen der einen halben Zentimeter dicken Kanüle verursacht trotz Lokalanästhesie Schmer‐ zen und vor allem auch Angst. Die Pferde wollen mit aller Macht der Zwangssituation entkommen, geraten in Panik, manche rutschen auf dem matschigen Untergrund aus und liegen in der Box fest, aufgehängt am Kopf», schildert Sabrina Gurtner die Blutabnahme. Fünf Liter werden innerhalb weniger Minuten mit einer Aderlasskanüle in der Halsvene über einen Schlauch direkt in einen Kanister abgelassen. Das geschieht wöchentlich, in der Regel zwei Monate lang.

Der Tierschutzbund Zürich hat das Filmmaterial mehreren Expertinnen vorgelegt. Iris Bachmann (Leiterin der Forschungsgruppe Equiden von Agroscope) und Anja Zollinger (Verantwortliche Beratungsstelle Pferd) beurteilen die Stressbelastung der Stuten wie folgt: «Als grösste Belastung und Gefahr des gesamten Prozederes schätzen wir die Fixation der Stuten im Stand ein. Sie bedeutet für ein halbwild lebendes und nicht menschengewohntes Fluchttier höchste Bedrohung und Unfähigkeit, den angeborenen Fluchttrieb auszuleben. Es kommt also zu heftigem und potenziell gefährlichem Abwehrverhalten. Abhängig von der Einrichtung, den Hilfsmitteln und dem menschlichen Verhalten, ist die Verletzungsgefahr durch Anschlagen, Einklemmen, Hinfallen erheblich.»

Das Boosterhormon PMSG wird vor allem in der Schweinezucht eingesetzt, um die Geburten der Ferkel zu takten. «PMSG ermöglicht den Ferkelzüchtern eine zeitgenaue Planung der künstlichen Befruchtung und der Geburten. Auch die nächsten Schritte wie Mast und Schlachtung werden so in die industrielle Produktion eingegliedert. PMSG dient also der wirtschaftlichen Effizienz», kritisiert Sabrina Gurtner. Dabei gibt es hormonfreie Methoden, sogenannte zootechnische Massnahmen, welche die Brunst der Muttersauen zum Beispiel durch Lichtmanagement und Ebernähe auslösen können. Es gibt auch synthetische Alternativpräparate, die die Fruchtbarkeit der Sauen steuern.

Der Tierschutzbund Zürich fordert ein Import‐ und Produktionsverbot für PMSG und ist damit nicht allein. Das Europäische Parlament hat im Oktober 2021 in einer Resolution mit grosser Mehrheit beschlossen, den Import und die Produktion von PMSG zu verbieten. Jetzt wäre die EU‐ Kommission am Zug. «Die verweigert derzeit eine Stellungnahme», ärgert sich Sabrina Gurtner.

Lies dazu auch:

Offener Brief zu den Blutstuten in Island von Barla Barandun und Ewald Isenbügel

 

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