Machen Peitschen Pferde schneller?

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Text Dr. Hanspeter Meier

Vor zwei Jahren weckten neue Erkenntnisse der Verhaltensforscher Evans und McGreevy  zum Peitschengebrauch im Rennsport grösste Aufmerksamkeit (An Investigation of Racing Performance and Whip Use by Jockeys in Thoroughbred Races). Allgemein wird ja angenommen, dass der Einsatz der Peitsche eine Beschleunigung und somit eine bessere Leistung bzw. Platzierung des Pferdes zur Folge habe, aber die Untersuchungen dieser zwei fortschrittlichen Forscher aus Sydney konnten diese unbedarfte Annahme nicht bestätigen. Ihre Messungen ergaben vielmehr, dass die Pferde in den drei 200-m-Abschnitten von 600 m bis zum Ziel in den Sektionen 600–400 m und 400–200 m höhere Geschwindigkeiten erzielten als in den letzten 200 m, in denen die Reiter die Peitsche weitgehend nach Belieben einsetzen konnten.
 
Untersuchungen mit modernsten Methoden
Es ist naheliegend, dass diese Veröffentlichung damals kontrovers zur Kenntnis genommen wurde. Einerseits wurde sie als Bestätigung längst vermuteter Zusammenhänge sehr begrüsst, anderseits wurde Kritik an
Methodik und Folgerungen laut. Letzteres hatte zur Folge, dass der rennsportlich versierte Tierarzt Peter Knight (ebenfalls Sydney) die Unter-suchungen mit einer grösseren Zahl von Pferden wiederholte und diverse Aussagen kommentierte. Die Durchführung seiner Messungen erfolgte mit modernsten technischen Möglichkeiten und die Interpretation der Resultate stellte auf neueste Erkenntnisse aus der Leistungsphysiologie und Sportmedizin ab. Er konnte die Ergebnisse von Evans und McGreevy reproduzieren, mit Ausnahme von Messungen auf einer weiteren Bahn (Rosehill). Letzteres ist aber insofern gut verständlich, als nur schon die Topografie einer Bahn einen entscheidenden Einfluss auf die gelaufenen Zeiten haben kann. Besonders in Europa gibt es verschiedene Geläufe, die – nicht unbeabsichtigt – undulierend und im Einlauf ansteigend verlaufen (Epsom, Newmarket, Curragh). Hier würden solche Zeitmessungen wenig Sinn machen, abgesehen davon, dass natürlich auch Renntaktik und -verlauf, Härte des Geläufs, enge Bögen usw. die Rennzeiten beeinflussen können. Für die australischen Untersuchungen wurden diese Voraussetzungen in Betracht gezogen und somit muss dank der Reproduzier- und Wiederholbarkeit der Resultate angenommen werden, dass der Peitscheneinsatz in Rennen den Zweck der Beschleunigung eines Pferdes prinzipiell nicht erfüllen kann (Tabelle S. 37).

 
Höheres Sturzrisiko
Die hiermit untermauerten Resultate von Evans und McGreevy erlauben es, einerseits Ansichten erfahrener Leute zu bestätigen und zum andern die Diskussionen über den Umgang mit der Peitsche sachlich zu führen. Für die Klärung von Meinungsverschiedenheiten fehlten wissenschaftlich fundierte Untersuchungen bisher weitgehend; nur Pinchbeck und seine Mitarbeiter hatten in England eine statistisch signifikante Auswertung im Rennsport vorgenommen, wonach in Hindernisrennen das Risiko eines Sturzes wegen des Einsatzes der Peitsche siebenmal grösser war. Der Mangel an solchen Studien darf allerdings nicht fehlendem Interesse oder Bequemlichkeit angerechnet werden. Vielmehr fehlten früher die technischen Möglichkeiten, aber heute erlaubt es die Technologie, dass jedermann die gelaufenen Zeiten (in Australien) auf einer Website konsultieren kann:
http://www.skyracing.com.au/index.php?component=racing&task=
sectionaltimes&Itemid=98&id=18
 
Allerdings ist klar, dass Zahlen und Statistiken alleine nur die Grundlage für die Diskussion liefern können. Entscheidend ist deren richtige Interpretation, die bei diesem häufig emotional gefärbten Thema überdies sachlich bleiben muss. Knight nahm sich auch dieser Aufgabe an, und die obigen Fakten wurden von der Rennsportgemeinde im Allgemeinen ohne Widerrede zur Kenntnis genommen. Es wurde nur gerade unverzüglich eine andere Erklärung für die «Notwendigkeit» der Peitsche im Rennsport proklamiert, die überdies sowohl im Deutschen wie Englischen auch gleich umbenannt wurde. Insbesondere seitens der Reiter wurde nun erläutert, die «Gerte» sei vor allem dafür da, Pferde zu korrigieren oder ein Ausbrechen nach aussen respektive das Hängen nach innen zu verhindern.
Knight nahm diese Herausforderung ebenfalls an und wertete Rennleitungsberichte für die Rennen in Sydney im ersten Vierteljahr 2013 aus. Diese ergaben, dass  17 Pferde nach innen und 5 nach aussen hingen. Diese Zahlen bestätigen die praktische Erfahrung, dass Pferde für gewöhnlich selber den kürzesten Weg suchen (welcher Reiter kennt das nicht?) und in der Geraden nach innen hängen (und «Anlehnung» suchen?); ein Ausbrechen ist die Ausnahme.  
Im Weiteren wurden in Sydney und Melbourne anhand von 557 Fotos untersucht, in welcher Hand die Jockeys die Peitsche üblicherweise führen. An beiden Orten war die Peitschenführung meistens rechts (70,7 bzw. 74,4%), obwohl auf den Bahnen in Sydney die Rennen auf rechte Hand gelaufen werden, jene in Melbourne (Flemington) auf linke. 
 
Auch für Korrekturen nicht nötig
Die Argumente der Jockeys sind somit auch bezüglich der angeblichen Notwendigkeit der Korrektur der Pferde nicht stichhaltig, indem sie diese ja selber nicht befolgen. Die Ergebnisse von Knight sind vielmehr in Übereinstimmung mit der Ansicht von Neil (2009, australische Tierschutzorganisation), dass die Peitsche nicht als Mittel zur Wahrung der Sicherheit gelten kann. Pferde weichen der Peitsche häufig nicht aus, was überdies jeder Jockey insgeheim ebenfalls weiss. Im Verlauf eines Rennens muss ja geradeaus geritten werden, und das Abweichen eines Pferdes als Folge eines Peitscheneinsatzes wäre somit jedes Mal ein Risiko. Noch überzeugender als irgendwelche Meinungen sind jedoch Fakten, und diese sind dank der Rennverfilmung heutzutage leicht zu beschaffen. Als Beispiele mögen die Einläufe in den Eclipse und den Falmouth Stakes (Gr. 1) im Juli dieses Jahres dienen. Im ersten Rennen drückte Al Kazeem gegen die Peitsche und bedrängte Mukhadram (der dadurch den zweiten Platz verlor) und im zweiten bedrängte die umstrittene Siegerin Elusive Kate die Gegnerin Sky Lantern, die überdies die Peitschenhiebe von Kates Jockey ins Gesicht kriegte.
Vor drei Jahren äusserte sich der Vorsitzende der International Federation of Horseracing Authorities (IFHA) dahingehend, dass sich diese Organisa-tion proaktiv für den Schutz der Rennpferde einsetzen muss. Die diversen Studien aus Sydney schufen für diese Arbeit grossartige Grundlagen.              

  • Schweizer Zuchtgenossenschaft für Arabische Pferde

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