Traditionsvereine kämpfen um Nachwuchs

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Der Marsch ertönt. Schon schreitet der Trupp los, quer über den Springplatz des Pferdesportzentrums NPZ in Bern. An der Spitze der Fähnrich. Dahinter meist ältere Herren in traditionellen Militäranzügen. Die einen spielen Trompete, die andern Horn. Auf einem Schimmel sind zwei grosse Pauken angebracht. Der Wallach zuckt nicht mit der Wimper, als sein Reiter mit dem Schläger auf die tönernen Deckel schlägt. Die Sonne steht hoch, es ist heiss. Dann setzt die Musik aus. Aus dem hintern Teil galoppieren rund 24 kostümierte Reiter in Dreierformation heran und stellen sich in einer Geraden auf. Ihre Uniformen bestehen aus langen schweren rot-gelben Mänteln und beigen Hosen, Sporen an den Stiefeln und (zum Teil) Perücken auf dem Kopf. Der Schweiss rinnt ihnen über die Stirn.

Männerfreundschaften

Die Zuschauer 200 Jahre zurückversetzt. In Zeiten, als Ross und Reiter noch in den Krieg zogen. Mann gegen Mann. Schwert gegen Schwert. «Die Leitidee hinter der Paradegruppe ist die Erhaltung und Pflege der Kameradschaft, der Kavallerietradition und die Liebe zu den Pferden», erklärt der Quartiermeister Franz Friolet. Sie sind die berittene Ehrenformation des Staates Bern und haben pro Jahr rund zehn gemeinsame Auftritte.
Die meisten der 36 Aktivmitglieder kennen sich noch aus ihrer Militärzeit bei der Kavallerie. Alle sind aktive Rösseler und besitzen eigene Pferde. Einige haben sich beruflich den Pferden verschrieben, anderen ist es ein geliebtes Hobby. Alle drei Wochen treffen sie sich zum Training im Berner NPZ. «Auch wenn es für viele sehr zeitintensiv ist, unsere Trainings sind gut frequentiert», sagt Friolet. Der Grund liegt für ihn auf der Hand: «Wir sind eine eingeschworene Gruppe», betont er. Eine richtige Männerbande – die meisten über 50 Jahre, eher Richtung Pensionsalter. «Frauen sind zwar gerne gesehen – bisher aber nur neben dem Platz», sagt Friolet lachend.
Dies dürfte sich in Zukunft vielleicht ändern. Auch wenn die Aufnahme von Frauen heute kein Thema ist, könnten personelle Engpässe doch dazu führen. Denn der Verein hat ein grosses Problem: Ähnlich wie die Schweizer Bevölkerung herrscht bei den Dragonern eine «Überalterung». Zwar reitet ein Benjamin in der Gruppe mit. Max Scheidegger ist gerade mal 17 Jahre alt. Er ist aber sozusagen familiär hereingewachsen. Sein Grossvater ist Pierre-Eric Jaquerod, der Reitmeister der Truppe. «Ich kam als Kind schon immer zu den Trainings mit. Für mich war klar, dass ich mal ein Dragoner werde», sagt Max. Beim Jubiläum hatte er seinen ersten öffentlichen Auftritt. Und seine Augen strahlen immer noch voller Stolz. «Für mich sind die Dragoner eine Art Familie », betont er.

Kombipaket Reiten und Musik

Im Vergleich dazu herrschen bei der Berner Bereitermusik geradezu lockere Regeln. Zwar sind die Kostüme auch vorgegeben – bei grösster Hitze wird der Kittel umgezogen –, doch bei den Sätteln hat der Komfort gesiegt. Vereinzelt sieht man auch weibliche Gesichter unter den Mitgliedern. Der Verein hat rund 50 Aktivmitglieder, von denen 25 bei der berittenen Formation mitmachen. Die meisten kommen vom Musizieren und lernen das Reiten erst von der Reitlehrerin des Vereins.
Eigene Pferde besitzt niemand. Sie können für ihre Trainings und Auftritte die Pferde des Nationalen Pferdezentrums ausleihen. Doch auch die Berner Bereitermusik hat Nachwuchsprobleme – und zwar an zwei Fronten. «Wir brauchen nebst den Reitern auch immer geeignete Pferde», sagt Marc Reber, Präsident des Vereins.
Deswegen hat der 110-jährige Verein vor sechs Jahren die Strukturen geändert. «Junge Leute fehlten fast gänzlich bei uns», sagt Reber. Sie überlegten, wie man an junge Musik- und Pferdebegeisterte rankommt. Und gründeten deswegen eine Musikschule. Heute hat der Verein drei Standbeine: eine berittene und eine konzertante Formation plus die Musikschule. Wer will, kann sich für wenig Geld auf einem Blasinstrument ausbilden lassen und zusätzlich das Reiten bis zum Brevetniveau erlernen.
Die spezielle Ausbildung zeigt erste Früchte: In den letzten Jahren sind sechs neue, junge Mitglieder dazugekommen. Dass die Altersspanne von 14 bis 75 reicht, stört sie gar nicht. Im Gegenteil. «Die Stimmung bei uns ist sehr gut. Wir lernen gegenseitig voneinander », findet Julian.

Der erste Eindruck zählt

Bei den Vierbeinern dauert die Integration länger. Es ist nicht immer einfach, geeignete Pferde für die Musik zu finden. Diese müssen ihre Seelenruhe bewahren, auch wenn der Reiter ins Horn bläst oder auf die Trommel schlägt. Christine von Steiger, die Reitmeisterin des Vereins, weiss genau, worauf sie schauen muss. «Es ist der erste Eindruck, der zählt», sagt sie. Neue Pferde werden zuerst in die Halle geführt. Jemand spielt vom Boden aus ein Instrument. «Wenn das Pferd schon dann nervös wird und fast durchdreht, bringen wir es wieder in den Stall. Dann macht es keinen Sinn», betont von Steiger. Andere sind neugierig, beschnuppern das Blech und bleiben ruhig. Das sind potenzielle Kandidaten. «Diese müssen behutsam in die Gruppe integriert werden», sagt von Steiger. Bis ein Pferd bereit für die ersten Auftritte, gehe es einige Monate.

text Sarah Forrer 

  • Schweizer Zuchtgenossenschaft für Arabische Pferde

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